Alkohol im Verkehr
Urteil 1
Nur eine Blutalkoholmessung nach dem ADH-Verfahren reicht zur verwertbaren Feststellung des Blutalkoholwertes allein nicht aus.
BUNDESGERICHTSHOF
Az.: IV ZR 212/01
Verkündet am: 25.09.2002
Vorinstanzen: Brandenburgisches Oberlandesgericht LG Frankfurt (Oder)
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Richter auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2002 für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 18. Juli 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Von Rechts wegen
Tatbestand
Nach einem Verkehrsunfall verlangt der Kläger Versicherungsleistungen in Höhe von 30.700 DM für den Totalschaden seines bei der Beklagten vollkaskoversicherten Pkw Honda Accord.
Er verlor am 7. Februar 1997 um 4.20 Uhr innerorts ausgangs einer Linkskurve die Gewalt über das Fahrzeug, welches infolgedessen von der Fahrbahn abkam, zunächst einen Straßenbaum streifte und sodann frontal gegen einen weiteren Baum prallte.
Der Kläger wurde bewußtlos in ein Krankenhaus eingeliefert. Ihm war ein Unterschenkel abgerissen worden. Zur Vorbereitung der erforderlichen sofortigen Beinamputation veranlaßte der zuständige Anästhesist eine Blutalkoholbestimmung, die alsbald im Labor des Krankenhauses mittels eines automatischen Meßgeräts, das nach der Alkoholhydrogenase-Methode (ADH-Methode) arbeitet, vorgenommen wurde. Es wurde lediglich eine Messung durchgeführt, welche für 5.30 Uhr, den Zeitpunkt der Blutprobenentnahme, einen Alkoholgehalt von 1,12 g/l Blutserum ergab. Für weitere Blutuntersuchungen zu Ermittlungszwecken blieb keine Zeit mehr.
Die Beklagte hält sich unter Berufung auf 61 VVG für leistungsfrei, weil der Kläger den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Er sei infolge Alkoholkonsums jedenfalls relativ fahruntauglich gewesen. Der Unfall sei die Folge typischer alkoholbedingter Fahrfehler, insbesondere überhöhter Geschwindigkeit.
Der Kläger bestreitet, vor der Fahrt Alkohol getrunken zu haben. Er meint, die nur einmalige Bestimmung des BAK-Wertes nach der ADHMethode erlaube keine ausreichend sicheren Rückschlüsse auf eine Alkoholisierung und deren Grad und sei deshalb kein verwertbares Beweismittel.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel ist zulässig. Seine Zulassung durch das Berufungsgericht ist bindend (vgl. BGH, Beschluß vom 20. September 1999 - II ZB 12/99 - BGHR ZPO 546 Abs. 1, Nichtzulassungsbeschwerde 2 m.w.N.). Es hat in der Sache hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat dem Kläger Versicherungsleistungen nach 61 VVG versagt, weil es davon überzeugt ist, der Kläger habe sein Fahrzeug im Zustand alkoholbedingter relativer Fahruntauglichkeit gesteuert und den Unfall durch alkoholbedingte Fahrfehler herbeigeführt. Darin liege ein grober Verstoß gegen die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt.
Die im Krankenhaus vorgenommene Blutalkoholbestimmung, die einen Wert von "1,12 " ergeben habe, sei verwertbar. Nach den Zeugenaussagen der mit der Analyse betrauten medizinisch-technischen Assistentin und eines Diplom-Chemikers sei erwiesen, daß das Analysegerät vor der Blutuntersuchung ordnungsgemäß kalibriert worden sei. Das lediglich auf eine einzige ADH-Bestimmung gestützte Meßergebnis lasse zwar nicht den sicheren Schluß zu, der Kläger habe sein Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 - und damit im Zustand absoluter Fahruntauglichkeit - geführt. Es sei andererseits aber für die richterliche Überzeugungsbildung nicht schlechthin unverwertbar. Dabei könne offen bleiben, ob es nur indizielle Wirkung für eine Alkoholisierung des Klägers in der Gesamtschau mit weiteren Indizien entfalte oder nach einem in freier Beweiswürdigung zu bestimmenden großzügigen Sicherheitsabschlag unmittelbar auf die Blutalkoholkonzentration des Klägers schließen lasse. Denn beide Wege führten hier zu dem Ergebnis, daß der Kläger zum Unfallzeitpunkt alkoholbedingt relativ fahruntauglich gewesen sei.
Der vom Berufungsgericht herangezogene Sachverständige habe sich eingehend mit der Verwertbarkeit der Blutalkoholbestimmung befaßt und ausgeführt, der zugunsten des Klägers zu gewährende Sicherheitsabschlag ergebe auch ohne eine auf den Unfallzeitpunkt bezogene Rückrechnung eine Blutalkoholkonzentration von jedenfalls 0,74 . Ob davon ein weiterer Sicherheitsabschlag von 0,1 zum Ausschluß aller theoretischen Bedenken vorgenommen werden müsse, brauche nicht entschieden zu werden. Denn auch die Gesamtschau der übrigen Indizien ergebe eine alkoholbedingte relative Fahruntauglichkeit des Klägers. Der Kläger sei ein langjährig erfahrener Kraftfahrer. Er habe ohne erkennbaren äußeren Grund die Gewalt über sein Fahrzeug in einer Verkehrssituation verloren, die einem nüchternen Fahrer keine Probleme bereitet hätte. Der Kläger habe den Straßenverlauf ausgangs der von ihm durchfahrenen Linkskurve falsch eingeschätzt und damit einen alkoholtypischen Fahrfehler begangen. Es komme hinzu, daß der Pkw des Klägers nach dem vom Gericht veranlaßten Unfall-Rekonstruktionsgutachten mit einer Geschwindigkeit von 77 bis 89 km/h gegen den Baum geprallt sei, mithin der Kläger die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritten habe. Auch das weise jedenfalls in der Gesamtschau aller Umstände auf ein alkoholbedingtes Versagen des Klägers hin.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Zu Unrecht wendet sich die Revision gegen die Verwertung der nur auf einem einzigen ADH-Test beruhenden BAK-Bestimmung und gegen die durch das Berufungsgericht im übrigen vorgenommene Bewertung der Fahrfehler des Klägers.
1. Das Berufungsgericht durfte die Blutalkoholbestimmung für seine Überzeugungsbildung heranziehen.
Ob ein Fahrzeugführer infolge Alkoholgenusses nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr sicher zu führen, ist eine Tatfrage, die der Tatrichter grundsätzlich in freier richterlicher Beweiswürdigung klären muß.
a) Allerdings unterliegt er dabei Einschränkungen, die die Rechtsprechung unter Heranziehung medizinisch gesicherter Erfahrungssätze entwickelt hat. So ist - ungeachtet aller individuellen Unterschiede in der Alkoholtoleranz - ab einer ordnungsgemäß festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,1 von dem zwingenden medizinischen Erfahrungssatz auszugehen, daß der Kraftfahrer nicht mehr in der Lage war, sein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen (absolute Fahruntauglichkeit, dazu BGHSt 37, 89 ff.; Schoknecht, NZV 1990, 104). Insoweit unterliegt die Beweiswürdigung des Tatrichters auch der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht (BGH, Urteil vom 15. Juni 1988 - IVa ZR 8/87 - VersR 1988, 950 unter I 2 a m.w.N.).
Bindungswirkung in diesem Sinne entfaltet die BAK-Bestimmung aber nur dann, wenn sie nach standardisierten Regeln getroffen worden ist, die einen hinreichend sicheren Ausschluß möglicher Meß- und Berechnungsfehler gewährleisten. Bei der Analyse einer Blutprobe muß deshalb das Meßergebnis dem arithmetischen Mittelwert aus einer Mindestzahl voneinander unabhängiger Einzelmeßwerte entnommen werden. Werden diese nach dem Widmark- und dem ADH-Verfahren ermittelt, so sind insgesamt fünf Einzeluntersuchungen erforderlich. Wird das Widmark-Verfahren durch eine automatische gaschromatographische Analyse (GC) ersetzt, genügen je zwei Einzeluntersuchungen nach der ADHMethode und der Gaschromatographie (BGHSt 28, 1, 2; vgl. auch BGHSt 21, 157, 167; BGH, Urteil vom 15. Juni 1988 aaO unter I 2 b). Das dient dem Zweck, mittels wechselseitiger Kontrolle der gewonnen Meßergebnisse eine möglichst weitgehende Annäherung des Meßergebnisses an den wahren BAK-Wert zu erreichen.
b) Eine solche mehrfach abgesicherte Blutalkoholbestimmung liegt hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß es ihm damit verwehrt war, aus dem vermeintlichen Meßergebnis von "1,12 " BAK unter Rückgriff auf den anerkannten Grenzwert von 1,1 zu folgern, der Kläger sei absolut fahruntauglich gewesen.
Im Ergebnis wirkt es sich deshalb auch nicht aus, daß - was das Berufungsgericht übersieht - das Analysegerät des Krankenhauses eine Serumprobe analysiert und den ermittelten Wert nicht in Promille, sondern in Gramm Alkohol pro Liter Blutserum (g/l) ausgegeben hat. BAK-Werte beziehen sich hingegen üblicherweise auf Vollblut, sie werden in Milligramm Alkohol pro Gramm Vollblut ( ) angegeben. Das Berufungsgericht hätte deshalb eine Umrechnung vornehmen müssen, bei der das Ergebnis der Serummessung durch den Divisor 1,2 (der dem Quotienten der Wassergehalte von Serum - 91% - und Blut - 76% - entspricht) geteilt wird (vgl. dazu Schoknecht NZV 1990, 104, 106). Die Messung hat in Wahrheit also nur 1,12 g/l oder 0,93 BAK ergeben.
c) Inwieweit eine auf zu wenigen Analysewerten beruhende BAKBestimmung für die Ermittlung der Alkoholisierung überhaupt herangezogen werden kann, ist in der Rechtsprechung umstritten (vgl. dazu die Übersicht bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht 36. Aufl. StGB 316 Rdn. 53). Teilweise wird eine Unverwertbarkeit des Meßwerts angenommen (so wohl OLG Nürnberg NJW-RR 1994, 97 = VersR 1994, 167). Vielfach wird demgegenüber lediglich die Feststellung eines bestimmten Promillewertes aufgrund solcher Messungen für unmöglich erachtet und statt dessen dem Meßergebnis lediglich eine Indizwirkung zugebilligt, die erst im Zusammenspiel mit anderen Umständen den Schluß auf eine relative Fahruntauglichkeit des Betroffenen zulasse (OLG Stuttgart VRS 66, 450; BayObLG NJW 1982, 2131). Schließlich wird eine nicht richtlinienkonforme BAK-Messung im Rahmen freier richterlicher Überzeugungsbildung dann als voll verwertbar angesehen, wenn das Gericht das Ergebnis einer Einzelanalyse unter Berücksichtigung der konkreten Umstände ihres Zustandekommens und unter Beachtung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse zur BAK-Bestimmung ausreichend würdige und insbesondere mit sachverständiger Hilfe einen Sicherheitsabschlag bestimme, der den Unzulänglichkeiten der Messung ausreichend Rechnung trage (OLG Hamm r+s 1995, 238; vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 15. Juni 1988 aaO unter I 2 e, wo die Frage der Verwertbarkeit von BAK-Bestimmungen auf der Basis zu weniger Einzeluntersuchungen aber offengelassen worden ist).
d) Die genannten Lösungsansätze stimmen darin überein, daß das Meßergebnis einer nicht den Richtlinien des Gutachtens des Bundesgesundheitsamtes vom 1966 (dazu BGHSt 28, 1, 2) entsprechenden BAKBestimmung für sich genommen keine verläßliche Aussage über den Grad der Alkoholisierung erlaubt. Ein darüber hinausgehendes generelles Beweisverwertungsverbot für solche Einzelmeßwerte, welches den Tatrichter von vornherein zwänge, die Augen davor zu verschließen, daß - wenngleich auf statistisch zu schmaler Basis - Alkohol im Blut des Betroffenen nachgewiesen worden ist, läßt sich rechtlich nicht begründen.
Vielmehr ist der Tatrichter zunächst lediglich an der Anwendung der von Medizin und Rechtsprechung erarbeiteten festen Beweisregeln für bestimmte Alkoholisierungsgrade (insbesondere des Grenzwertes von 1,1 ) gehindert. Das hat aber nur zur Folge, daß er die Frage der Alkoholisierung und der dadurch hervorgerufenen Ausfallerscheinungen unter Heranziehung aller Indizien in freier Beweiswürdigung klären muß. Das setzt voraus, daß er - zumeist mit sachverständiger Hilfe - danach fragen muß, welche Aussagekraft dem jeweiligen Meßwert konkret zukommt. Im Regelfall wird es sich anbieten, danach zu fragen, in welcher Höhe und in welchem Umfang das zugrundeliegende Analyseverfahren Abweichungen erwarten läßt, um so eine statistisch abgesicherte Aussage über die Meßgenauigkeit und den maximal erforderlichen Sicherheitsabschlag zu gewinnen (dazu Grüner/Ludwig, Blutalkohol Vol 27/1990, 316 ff.).
e) Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht - dem Sachverständigen folgend - statt dessen die in Rede stehende ADH-Messung mit vorangegangenen Messungen desselben Meßgeräts verglichen. Dieses ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unmittelbar vor der Messung ordnungsgemäß kalibriert worden. Dabei werden zweimal hintereinander Serumproben, deren Alkoholgehalt bekannt ist, analysiert, um festzustellen, ob sich das Meßergebnis innerhalb der vom Gerätehersteller vorgegebenen Bandbreiten - hier plus/minus 20,1% - bewegt. Der Sicherheitsabschlag, den der Sachverständige vorgenommen hat, orientiert sich erkennbar an diesen bei der Kalibrierung nicht überschrittenen Bandbreiten. Beim Kläger waren 1,12 Gramm Alkohol pro Liter Blutserum gemessen worden, das entspricht einem BAK-Wert von 0,93 (vgl. oben). Der vom Sachverständigen ermittelte Mindest-BAK-Wert von 0,74 , von dem auch das Berufungsgericht im weiteren ausgeht, bleibt dahinter um 19 Punkte oder 20,43% zurück.
Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Sie beruhen auf dem möglichen Schluß, daß nach beanstandungsfreier Kalibrierung des Meßgeräts sich auch die unmittelbar anschließende Analyse der Serumprobe des Klägers in den vorgegebenen Meßtoleranzen bewegt hat und lassen damit - entgegen dem Vorwurf der Revision - ausreichend erkennen, welchen Sicherheitsabschlag das Berufungsgericht zugrundegelegt hat. Auf den weiteren, vom Sachverständigen erwogenen Sicherheitsabschlag von 0,1 kommt es, wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat, in diesem Bereich der Blutalkoholkonzentration nicht an.
2. Soweit das Berufungsgericht in den Fahrfehlern des Klägers (überhöhte Geschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft, Kontrollverlust über das Fahrzeug ohne erkennbaren äußeren Anlaß und trotz langjähriger Fahrpraxis) einen Beleg für seine relative Fahruntauglichkeit zum Unfallzeitpunkt sieht, erschöpft die Revision sich in dem unbeachtlichen Versuch, diese Beweiswürdigung durch eigene Erwägungen
zu ersetzen. Das Berufungsgericht hat im Rahmen der gebotenen Gesamtschau des Unfallgeschehens rechtlich mögliche Schlüsse gezogen. Daß einzelne Fahrfehler, insbesondere die überhöhte Geschwindigkeit, für sich genommen noch nicht den Schluß auf eine alkoholbedingte relative Fahruntauglichkeit erlaubt hätten (dazu BGH, Urteil vom 3. April 1985 - IVa ZR 111/83 - VersR 1985, 779 unter I 3), hat es ausreichend bedacht.
Urteil 2
Die Einlassung eines Beschuldigten, kurz vor der Fahrt noch Alkohol getrunken zu haben, kann nicht ohne weiteres als Schutzbehauptung abgetan werden.
OLG Karlsruhe
Az: 1 Ss 32/06
Beschluss vom 05.05.2006
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Y. vom 20. Dezember 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Y. zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Die 21-jährige Betroffene wurde durch Urteil des Amtsgerichts vom 20.12.2005 wegen Führens eines Kraftfahrzeugs mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,31 mg/l zu der Geldbuße von 250,00 € verurteilt. Zugleich wurde ihr für die Dauer von einem Monat verboten, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Nach den getroffenen Feststellungen war die als Bedienung tätige Betroffene am 13.02.2005 gegen 7.20 Uhr mit ihrem Kraftfahrzeug aus dem Parkplatz der Gaststätte "T" in Y. kommend einer Polizeistreife aufgefallen, nach kurzer Nachfahrt angehalten und gegen 7.35 Uhr einer ersten (Messwert: 0,318 mg/l) und gegen 7.38 Uhr einer zweiten (Messwert: 0,309 mg/l) Atemalkoholkontrolle mit dem Gerät der Marke Dräger Alcotest 7110 Evidential unterzogen worden. Mit ihrer Rechtsbeschwerde beanstandet die Betroffene die Korrektheit der Messung, da die 20-minütige Wartezeit zwischen Trinkende und der ersten Einzelmessung nicht eingehalten worden sei.
II.
Der Rechtsbeschwerde kann ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht versagt bleiben.
1. Der Senat teilt die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen die gerichtliche Beweiswürdigung. Diese ist lückenhaft, weil sie sich nicht mit einer nahe liegenden Erklärung für das Einlassungsverhalten der Betroffenen auseinander setzt.
Das Amtsgericht hat deren Angaben in der Hauptverhandlung, kurz vor ihrem Halt auf dem Parkplatz der Gaststätte "T" in Y. noch auf dem "P-Parkplatz" in Y. ein zuvor an einer Tankstelle gekauftes "Cola-Bier" in Anwesenheit eines Mitinsassen getrunken zu haben, als bloße Schutzbehauptung angesehen, weil sie diese Alkoholaufnahme bei der Polizeikontrolle nicht erwähnt und dort nach Ansicht der Polizeibeamten glaubhaft das Trinkende mit 5.00 Uhr angegeben habe. Die Bewertung des Amtsgerichts, die "Betroffene habe für dieses Aussageverhalten keine Gründe anführen können", übersieht jedoch die sich aufdrängende Erkenntnis, dass Alkoholsünder bei einer Verkehrskontrolle oftmals versuchen werden, ihr Trinkende zeitlich nach vorne zu verlagern, um so einer konkreten Überprüfung ihrer alkoholischen Beeinflussung zu entgehen. Hingegen liegt die Annahme, ein solcher Betroffener würde in diesem Verfahrenstadium eine kurz vor Fahrantritt getätigte Alkohol-aufnahme freimütig einräumen, eher fern. In Anbetracht dieser durchaus nahe liegenden Möglichkeit von Fehlangaben werden die Polizeibehörden gehalten sein, die in den bundeseinheitlichen Richtlinien für die Durchführung von Atemalkoholmessungen vorgesehene Wartezeit von 20 Minuten zwischen Trinkende und Beginn der ersten Einzelmessung unabhängig von der Einlassung der Betroffenen einzuhalten, wenn sie verlässliche Daten gewinnen wollen (vgl. hierzu für Baden-Württemberg die gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, des Justizministeriums und des Ministeriums für Umwelt und Verkehr über die Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten; Sicherstellung von Führerscheinen (VwV Blutalkohol) vom 26.04.2005 (4103.B/0107) unter 2.5.5 Kontrollzeit, abgedruckt in: Die Justiz 2005, 265 ff., 266).
2. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil.
Der Senat kann nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, dass die Nichteinhaltung der Wartezeit ohne relevanten Einfluss auf das Messergebnis geblieben ist.
a. Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich vorgesehen, dass bei der Atemalkoholbestimmung nur Messgeräte eingesetzt und Messmethoden angewendet werden dürfen, die den im Gutachten des Bundesgesundheitsamts gestellten Anforderungen genügen (vgl. hierzu BGHSt 46, 358 ff, 363 = NZV 2001, 267 f. = DAR 2001, 275 ff. = Blutalkohol 38 (2001), 280 ff.). Danach besteht für das Messverfahren neben dem Erfordernis einer Kontrollzeit von 10 Minuten vor der ersten Einzelmessung u.a. die Vorgabe, dass zwischen der Beendigung der Alkoholaufnahme (Trinkende) und dem Beginn der Messung ein Zeitraum von 20 Minuten verstrichen sein muss. Die vorgeschriebene Kontrollzeit von 10 Minuten dient dazu, die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch Mund- oder Mundrestalkohol auf das Ergebnis auszuschließen. Die Wartezeit von 20 Minuten ist erforderlich, weil sich erst nach dieser Zeit ein definiertes Verhältnis zwischen Atemalkohol- und Blutalkoholkonzentration einstellt, das kurzfristigen Schwankungen nur noch in geringem Maß unterworfen ist (vgl. hierzu Senat NZV 2004, 426 f. = VRS 107, 52 f. = DAR 2004, 466 f. = Blutalkohol 41 (2004), 467 = SVR 2004, 475 = VersR 2005, 1409 f.; Schoknecht NZV 2003, 67 ff.; eher krit. und die Wartezeit nicht stets als ausreichend ansehend: Iffland NZV 2005, 433 ff., 438).
b. Die Frage, welche Konsequenzen aus der Nichteinhaltung der Wartezeit zu ziehen sind, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Während zum Teil hieraus eine Unverwertbarkeit des Messergebnisses gefolgert wird (vgl. OLG Dresden VRS 108, 279 f.; Hentschel, Straßenverkehrs-recht, 37. Aufl. 2006, StVO, 24 a Rn. 17 m.z.w.N.), halten neuere Entscheidungen deren Einhaltung gänzlich für entbehrlich, wenn nur gewährleistet ist, dass der Betroffene 10 Minuten vor Beginn der Messung keinerlei Substanzen mehr zu sich genommen hat (vgl. OLG Celle NZV 2004, 318 f.; OLG Hamm DAR 2005, 227 f.; Burhoff (Hrsg), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2005, Rn. 2016). Dies wird vornehmlich damit begründet, dass auf die Einhaltung des ursprünglich zwischen Atemalkoholkonzentration und Blutalkoholkonzentration definierten Verhältnisses verzichtet werden könne, nachdem der Gesetzgeber in 24a StVG einen selbst-ständigen Grenzwert festgelegt habe (vgl. OLG Celle a.a.O). Diese Auffassung übersieht jedoch, dass der Sinn der 20-minütigen Wartezeit nicht in der Verhinderung des Einflusses von Mund- oder Restalkohol auf das Messergebnis, sondern darin liegt, dass es gerade in der Anflutungsphase dazu kommen kann, dass die Atemalkoholkonzentration erheblich über den vergleichbaren Blutalkoholwerten liegt (vgl. vertiefend Iffland, a.a.O., S. 438 f.).
Der Senat hat aus diesem Grund bereits ausgesprochen, dass bei nur geringfügiger Überschreitung des Gefahrengrenzwertes des 24a Abs. 1 StVG von 0,25 mg/l das Ergebnis des standardisierten Messverfahrens zur Ermittlung der Atemalkoholkonzentration mit dem Dräger Alcotest 7110 Evidential nur dann ohne Rechtsfehler verwertet werden kann, wenn die genannten Warte- und Kontrollzeiten eingehalten wurden (Senat a.a.O). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da die festgestellte Atemalkoholkonzentration mit 0,31 mg/l mehr als 20% über dem Gefahrengrenzwert liegt. Überschreitet aber die Messung dieses Limit deutlich, so ist zu prüfen, ob die mit der Nichteinhaltung der Wartezeit verbundenen Schwankungen durch einen Sicherheits-zuschlag ausgeglichen werden können (offen lassend: BayObLG DAR 2005, 226 f.).
c. Von einer solchen Möglichkeit geht der Senat vorliegend aus. Werden die für ein standardisiertes Messverfahren vorgegebenen Verfahrensbestimmungen (vgl. nur BGHSt 46, 358 ff; BayObLG DAR 2003, 232 ff.) nicht eingehalten und wie hier im Rahmen des 24a StVG die Wartezeit unterschritten, so führt dies zunächst nicht zur Unverwertbarkeit der festgestellten Messwerte, vielmehr ist durch Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich die Unterschreitung der Mindestzeit seit Trinkende ausgewirkt haben kann (vgl. Senat, Beschluss vom 26.03.2002, 1 Ss 4/02; ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.10.2003, 2 Ss 125/03; vgl. auch. OLG Hamm VRS 102, 298 ff.; a.A. Maatz, Blutalkohol 2002, 21 ff., 31 f.). Dies belegt der vorliegende Fall anschaulich. Vorliegend tritt nämlich zu der erforderlichen deutlichen Überschreitung des Grenzwertes von hier 20% hinzu, dass nach den Bekundungen der Betroffenen in der Hauptverhandlung diese während der Wartezeit - zu ihren Gunsten ist dabei von einer Zeitspanne von 15 Minuten zwischen Trinkende und der ersten Messung auszugehen - lediglich eine Dose "Cola-Bier" getrunken hat. Es ist aber davon auszugehen, dass die Anflutungsgeschwindigkeit und die Schwankungsbreite des Umrechnungsfaktors zwischen Atem- und Blutalkoholkonzentration während der Anflutungsphase auch von der Konzentration des bereits im Körper vorhandenen und der Menge des während der Wartezeit aufgenommenen Alkohols abhängt (vgl. hierzu die neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen der Universitäten München und Heidelberg, veröffentlicht von A. Dettling, F. Fischer, S. Böhler, F. Ullrichs, A. Schuff, G. Skopp, L. von Meyer, M. Graw, H.Th. Haffner, Grundlagen der Pharmakokinetik des Ethanols anhand von Atemalkoholkonzentrationen, Anflutung und Gipfelkonzentrationen, zum Abdruck in Blutalkohol 2006 vorgesehen), wobei aufgrund der vorliegend während der Wartezeit aufgenommenen nicht erheblichen Alkoholmenge einer Dose "Cola-Bier" (0,5 Liter; Alc. 3,1 % vol.) aus tatsächlichen Gründen eher von einer geringeren Verfälschung des Messergebnisses auszugehen sein dürfte.
III.
Das Urteil war daher aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Y. zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr unter Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen zu prüfen haben, ob unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes und neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse ggf. unter Vornahme von Sicherheitsabschlägen eine zuverlässige Bewertung des Messergebnisses möglich ist.
Urteil 4
Eine vorsätzliche Trunkenheitsfahrtmuß besonders begründet werden.
OLG Hamm
Az: 3 Ss 77/04
Beschluss vom: 26.03.2004
Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 08.12.2003 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 03. 2004 beschlossen:
Das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 08.12.2003 wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Bielefeld hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen in Höhe von je 35,- € verurteilt. Darüber hinaus hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Straßenverkehrsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von noch 10 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit am 12.12.2003 bei dem Amtsgericht Bielefeld eingegangenem Schreiben seines Verteidigers Rechtsmittel eingelegt. Nach der Urteilszustellung an den Verteidiger am 30.12.2003 hat dieser mit am 29.01.2004 bei dem Amtsgericht Bielefeld eingegangenem Schreiben das Rechtsmittel als Revision bezeichnet und mit dem Antrag begründet, das Urteil des Amtsgerichts vom 08.12.2003 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückzuverweisen. Die Revision wendet sich mit der Sachrüge gegen die Annahme vorsätzlicher Tatbegehung durch das Amtsgericht.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Amtsgericht Bielefeld zurückzuverweisen.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Auf die Revision des Angeklagten war das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Die Urteilsgründe tragen den Schuldspruch wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr nämlich nicht.
1. Das Amtsgericht hat die von ihm als Einlassung des Angeklagten gewertete Erklärung des Verteidigers, der Angeklagte habe hinsichtlich seiner Alkoholisierung fahrlässig gehandelt, als durch die Angaben der Zeugen POM M. und POM"in B. widerlegt angesehen. Diese Zeugen hatten angegeben, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der von ihnen durchgeführten Verkehrskontrolle im Fahrerraum des von ihm geführten LKWs eine Kühlbox mit sich geführt habe, in der sich Dosen eines Whisky-Cola-Mixgetränkes befunden hätten, und zwar bereits angebrochene und auch noch verschlossene Dosen mit diesem Getränk. Das Amtsgericht führt auf der Grundlage dieses Beweisergebnisses weiter Folgendes aus:
"Da der Angeklagte während der Fahrt in dem Fahrgastraum alkoholische Getränke bei sich führte und die Getränkedosen teilweise angebrochen waren, ist davon auszugehen, dass der Angeklagte wusste, dass er alkoholisiert im Straßenverkehr ein Fahrzeug führte und infolge der Alkoholisierung absolut fahruntüchtig war. Dafür spricht zum einen die Tatsache, dass der Angeklagte angebrochene Getränkedose in der Fahrgastzelle des LKWs bei sich führte, so dass er während der Fahrt Zugriff auf die Getränke nehmen konnte. Zum anderen spricht die erhebliche Alkoholisierung von 2,49 o/oo dafür, dass der Angeklagte wusste, dass er in erheblichem Umfang alkoholisiert ist und somit Kenntnis von seiner Fahruntauglichkeit hatte (...) Neben den mit im Fahrgastraum geführten Getränken und dem hohen Grad der Alkoholisierung gibt es noch einen weiteren Anhaltspunkt, der für die vorsätzliche Begehungsweise des Angeklagten im Hinblick auf die alkoholbedingte Fahruntauglichkeit und die Teilnahme im Straßenverkehr spricht. Der Angeklagte gab nach Durchführung des Atemalkoholtests vor, ein Mundspray benutzt zu haben, um die Beamten so in die Irre zu führen und Glauben machen zu lassen, dass das Atemalkohol-Prüfgerät ausgeschlagen sei, da er ein Mundspray benutzt hatte.
Dass dies tatsächlich nicht der Fall gewesen sein konnte, sondern das Gerät ein positives Ergebnis zeigte, weil der Angeklagte Alkohol konsumiert hatte, ergibt sich daraus, dass auch der zweite Atemalkoholtest ein positives Ergebnis anzeigte. Der Angeklagte wollte durch dieses Täuschungsmanöver davon ablenken, dass er Alkohol zu sich genommen hatte und sich im Zustand alkoholbedingter Fahruntauglichkeit befand. Darüber hinaus war der Angeklagte für das Fahren unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr sensibilisiert. Er war bereits im Jahre 2002 durch Alkohol im Straßenverkehr aufgefallen und hatte einen Bußgeldbescheid erhalten."
Hinsichtlich der genannten Vorbelastung stellt das Amtsgericht fest, dass dem Angeklagten in dem Bußgeldbescheid der Stadt Bielefeld vom 16.01.2002, mit dem gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 270,- € und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt worden war, vorgeworfen wurde, am 26.10.2001 gegen 06.10 Uhr in Bielefeld als Führer eines PKWs mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,56 o/oo im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt zu haben.
Die dem Angeklagten hier zur Last gelegte Tat beging er am 04.07.2003 gegen 15.45 Uhr mit einem LKW der Marke Daimler-Chrysler auf der BAB A 2 in Fahrtrichtung Hannover im Raum Bielefeld.
2. Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr nach 316 StGB setzt voraus, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt (OLG Hamm, NZV 1998, 291 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 25.01.2001 - 4 Ss 20/01 OLG Hamm). Die Feststellung der Kenntnis der Fahruntüchtigkeit als innere Tatsache hat der Tatrichter auf der Grundlage des Ergebnisses der Hauptverhandlung und der Heranziehung und Würdigung aller Umstände zu treffen. Bei einem insoweit bestreitenden Angeklagten müssen die für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts verwendeten Beweisanzeichen lückenlos zusammengefügt und unter allen für ihre Beurteilung maßgebenden Gesichtspunkten gewürdigt werden. Nur so wird dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglicht, ob der Schuldbeweis und damit der Beweis der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) schlüssig erbracht ist und alle gleich naheliegenden Deutungsmöglichkeiten für und gegen den Angeklagten geprüft worden sind (OLG Hamm, Beschluss vom 25.01.2001, a.a.O. m.w.N.; OLG Köln, DAR 1997, 499; OLG Hamm, NZV 1998, 291).
Die vom Amtsgericht herangezogenen Beweisanzeichen reichen für die Annahme einer vorsätzlichen Begehungsweise nicht aus. Sie lassen nicht rechtsfehlerfrei den Schluss zu, der Angeklagte habe seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit erkannt oder zumindest mit ihr gerechnet und sie billigend in Kauf genommen.
Nach der wohl einhelligen Meinung der Oberlandesgerichte kann das Vorliegen von vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr nicht bereits aus einer hohen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit geschlossen werden (OLG Hamm, Blutalkohol 2000, 116 m.w.N.). Es gibt nämlich nach wie vor keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken hat, seine Fahruntüchtigkeit kennt. Vielmehr müssen weitere auf die vorsätzliche Tatbegehung hinweisende Umstände hinzutreten. Dabei kommt es auf die vom Tatrichter näher festzustellende Erkenntnisfähigkeit des Fahrzeugführers bei Fahrtantritt an (OLG Hamm, Blutalkohol 1998, 462; OLG Hamm, Blutalkohol 2000, 116). Für die Annahme vorsätzlicher Begehung bedarf es deshalb der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Täterpersönlichkeit, des Trinkverlaufs, des Zusammenhanges zwischen Trinkverlauf und dem Fahrtantritt sowie des Verhaltens des Täters während und nach der Tat (OLG Hamm, Blutalkohol 2000, 116; OLG Düsseldorf, VRS 86, 111 m.w.N.).
Bei einer hohen Blutalkoholkonzentration treten nämlich zwar häufig Ausfallerscheinungen auf, die eine Kenntnis des Fahrers eines Fahrzeugs von seiner Fahruntüchtigkeit nahe legen. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass bei fortschreitender Trunkenheit das kritische Bewusstsein und die Fähigkeit zur realistischen Selbsteinschätzung abnehmen, das subjektive Leistungsgefühl des Alkoholisierten hingegen infolge der Alkoholeinwirkung häufig gesteigert wird mit der Folge, dass der Fahrer seine Fahruntüchtigkeit falsch einschätzt (BGH NZV 1991, 117; OLG Hamm, Beschluss vom 03.08.1999 - 5 Ss 501/99 OLG Hamm).
3. Hier hat das Amtsgericht zunächst keinerlei Feststellungen zum Beginn der Alkoholaufnahme durch den Angeklagten getroffen. Insbesondere bleibt offen, ob der Angeklagte den Alkohol bereits vor Antritt der Fahrt konsumiert hatte, oder ob der Alkoholkonsum erst während der Fahrt begann. Damit bleibt gleichfalls offen, über welche Erkenntnisfähigkeit der Angeklagte bei Fahrtantritt oder bei Beginn des Alkoholkonsums während der Fahrt oder während einer Rast bzw. Unterbrechung der Fahrt verfügte. Auch Feststellungen zum Trinkverlauf fehlen. Das Amtsgericht begnügt sich mit der Feststellung, dass der Angeklagte im Fahrerraum des von ihm geführten LKWs eine Kühlbox mit alkoholhaltigen Whisky-Cola-Mixgetränken bei sich führte. Nähere Feststellungen zur Zahl insbesondere der angebrochenen Dosen dieses Gemisches sowie zu dem Alkoholgehalt des Mixgetränkes finden sich nicht. Ebensowenig hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Angeklagte - was deutlich für Vorsatz sprechen könnte - auch während der Fahrt Dosen dieses Mixgetränkes konsumiert hatte. Aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils ergibt sich nämlich lediglich, dass sich im Fahrerraum eine entsprechende Kühlbox mit angebrochenen Dosen befand.
Weiterhin stellt das Amtsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung darauf ab, dass der Angeklagte hinsichtlich der Verwendung eines Mundsprays eine Schutzbehauptung aufgestellt habe, um die Polizeibeamten über seine Alkoholisierung zu täuschen. Hier setzt sich das Amtsgericht aber nicht mit der naheliegenden Möglichkeit auseinander, dass der Angeklagte diese Schutzbehauptung zwar in der Annahme abgegeben hatte, er sei in alkoholisiertem fahruntüchtigen Zustand gefahren, dass er zu dieser Annahme aber erst aufgrund einer Ernüchterung im Zusammenhang mit der nach den Feststellungen des Amtsgerichtes vorangegangenen Konfrontation mit dem Ergebnis des ersten Atemalkoholtests gekommen war. Die vom Amtsgericht gegen den Angeklagten verwendete Schutzbehauptung hätte nämlich ein deutlich stärkeres indizielles Gewicht im Hinblick auf eine vorsätzliche Tatbegehung gehabt, wenn der Angeklagte von vornherein, also noch vor der Durchführung des ersten Atemalkoholtests, gegenüber den Polizeibeamten von einem Mundspray gesprochen hätte und so von seiner Alkoholisierung hätte ablenken wollen. Dann hätte nämlich der angesprochene Ernüchterungseffekt nicht derart nahegelegen wie im vorliegenden Fall nach der Konfrontation des Angeklagten mit dem Ergebnis des Atemalkoholtests.
Endlich überzeugt auch das Argument des Amtsgerichts nicht vollständig, der Angeklagte sei für das Fahren unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr sensibilisiert gewesen, da er bereits im Jahre 2002 mit Alkohol im Straßenverkehr aufgefallen sei. Einschlägige Vorstrafen bzw. Vorbelastungen können zwar als Anzeichen für ein vorsätzliches Handeln gewertet werden. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der der früheren Verurteilung zugrunde liegende Sachverhalt in einem Mindestmaß mit dem aktuell zu beurteilenden vergleichbar ist (OLG Hamm, Beschluss vom 03.08.1999, a.a.O.). Solche näheren Feststellungen - etwa dazu, ob der Angeklagte auch seinerzeit während der Fahrt alkoholische Getränke konsumiert hatte - hat das Amtsgericht jedoch nur eingeschränkt getroffen. Hinzu kommt, dass sich beide Fälle in der Höhe des Blutalkoholwertes und in der Tatzeit (Tageszeit) ganz erheblich unterscheiden. Darüber hinaus hatte der Angeklagte die Tat vom 26.10.2001 mit einem PKW, auf einer Privatfahrt oder auf dem Weg zur Arbeit begangen, während er die ihm hier zur Last gelegte Tat als Führer eines LKWs während seiner Arbeitszeit beging.
Da der Senat nicht ausschließen kann, dass zur Frage der Schuldform noch nähere Feststellungen möglich sind, hat er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die in der Tat liegende Selbstschädigung des Angeklagten - Entziehung der Fahrerlaubnis und Gefährdung seiner beruflichen Zukunft - nicht zulässigerweise strafschärfend gegen ihn verwendet werden kann.
Darüber hinaus hätte sich das Amtsgericht angesichts der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten zumindest mit der Frage einer Strafrahmenverschiebung nach 21, 49 Abs. 1 StGB aufgrund erheblicher Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit befassen müssen (vgl. zur neueren Rechtsprechung des BGH hierzu BGH NStZ 2003, 480).]
Urteil 5
Liegen zwischen Trinkende und Messung nicht mindestens 20 Minuten, so ist die Atemalkoholmessung unverwertbar.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
Az.: 1 Ss 32/06
Beschluss vom 05.05.2006
Vorinstanz: Amtsgericht Achern, Az.: 2 OWi 204 Js 10939/05
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Achern vom 20. Dezember 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Achern zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Die 21-jährige Betroffene wurde durch Urteil des Amtsgerichts Achern vom 20.12.2005 wegen Führens eines Kraftfahrzeugs mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,31 mg/l zu der Geldbuße von 250,00 € verurteilt. Zugleich wurde ihr für die Dauer von einem Monat verboten, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Nach den getroffenen Feststellungen war die als Bedienung tätige Betroffene am 13.02.2005 gegen 7.20 Uhr mit ihrem Kraftfahrzeug aus dem Parkplatz der Gaststätte " " Achern kommend einer Polizeistreife aufgefallen, nach kurzer Nachfahrt angehalten und gegen 7.35 Uhr einer ersten (Messwert: 0,318 mg/l) und gegen 7.38 Uhr einer zweiten (Messwert: 0,309 mg/l) Atemalkoholkontrolle mit dem Gerät der Marke Alcotest 7110 Evidential unterzogen worden. Mit ihrer Rechtsbeschwerde beanstandet die Betroffene die Korrektheit der Messung, da die 20-minütige Wartezeit zwischen Trinkende und der ersten Einzelmessung nicht eingehalten worden sei.
II.
Der Rechtsbeschwerde kann ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht versagt bleiben.
1.
Der Senat teilt die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen die gerichtliche Beweiswürdigung. Diese ist lückenhaft, weil sie sich nicht mit einer nahe liegenden Erklärung für das Einlassungsverhalten der Betroffenen auseinander setzt.
Das Amtsgericht hat deren Angaben in der Hauptverhandlung, kurz vor ihrem Halt auf dem Parkplatz der Gaststätte " " in Achern noch auf dem " -Parkplatz" in Achern ein zuvor an einer Tankstelle gekauftes "Cola-Bier" in Anwesenheit eines Mitinsassen getrunken zu haben, als bloße Schutzbehauptung angesehen, weil sie diese Alkoholaufnahme bei der Polizeikontrolle nicht erwähnt und dort nach Ansicht der Polizeibeamten glaubhaft das Trinkende mit 5.00 Uhr angegeben habe. Die Bewertung des Amtsgerichts, die "Betroffene habe für dieses Aussageverhalten keine Gründe anführen können", übersieht jedoch die sich aufdrängende Erkenntnis, dass Alkoholsünder bei einer Verkehrskontrolle oftmals versuchen werden, ihr Trinkende zeitlich nach vorne zu verlagern, um so einer konkreten Überprüfung ihrer alkoholischen Beeinflussung zu entgehen. Hingegen liegt die Annahme, ein solcher Betroffener würde in diesem Verfahrenstadium eine kurz vor Fahrantritt getätigte Alkoholaufnahme freimütig einräumen, eher fern. In Anbetracht dieser durchaus nahe liegenden Möglichkeit von Fehlangaben werden die Polizeibehörden gehalten sein, die in den bundeseinheitlichen Richtlinien für die Durchführung von Atemalkoholmessungen vorgesehene Wartezeit von 20 Minuten zwischen Trinkende und Beginn der ersten Einzelmessung unabhängig von der Einlassung der Betroffenen einzuhalten, wenn sie verlässliche Daten gewinnen wollen (vgl. hierzu für Baden-Württemberg die gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, des Justizministeriums und des Ministeriums für Umwelt und Verkehr über die Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten; Sicherstellung von Führerscheinen (VwV Blutalkohol) vom 26.04.2005 (4103.B/0107) unter 2.5.5 Kontrollzeit, abgedruckt in: Die Justiz 2005, 265 ff., 266).
2.
Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil.
Der Senat kann nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, dass die Nichteinhaltung der Wartezeit ohne relevanten Einfluss auf das Messergebnis geblieben ist.
a.) Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich vorgesehen, dass bei der Atemalkoholbestimmung nur Messgeräte eingesetzt und Messmethoden angewendet werden dürfen, die den im Gutachten des Bundesgesundheitsamts gestellten Anforderungen genügen (vgl. hierzu BGHSt 46, 358 ff, 363 = NZV 2001, 267 f. = DAR 2001, 275 ff. = Blutalkohol 38 (2001), 280 ff.). Danach besteht für das Messverfahren neben dem Erfordernis einer Kontrollzeit von 10 Minuten vor der ersten Einzelmessung u. a. die Vorgabe, dass zwischen der Beendigung der Alkoholaufnahme (Trinkende) und dem Beginn der Messung ein Zeitraum von 20 Minuten verstrichen sein muss. Die vorgeschriebene Kontrollzeit von 10 Minuten dient dazu, die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch Mund- oder Mundrestalkohol auf das Ergebnis auszuschließen. Die Wartezeit von 20 Minuten ist erforderlich, weil sich erst nach dieser Zeit ein definiertes Verhältnis zwischen Atemalkohol- und Blutalkoholkonzentration einstellt, das kurzfristigen Schwankungen nur noch in geringem Maß unterworfen ist (vgl. hierzu Senat NZV 2004, 426 f. = VRS 107, 52 f. = DAR 2004, 466 f. = Blutalkohol 41 (2004), 467 = SVR 2004, 475 = VersR 2005, 1409 f.; Schoknecht NZV 2003, 67 ff.; eher krit. und die Wartezeit nicht stets als ausreichend ansehend: Iffland NZV 2005, 433 ff., 438).
b.) Die Frage, welche Konsequenzen aus der Nichteinhaltung der Wartezeit zu ziehen sind, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Während zum Teil hieraus eine Unverwertbarkeit des Messergebnisses gefolgert wird (vgl. OLG Dresden VRS 108, 279 f.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl. 2006, StVO, 24 a Rn. 17 m.z.w.N.), halten neuere Entscheidungen deren Einhaltung gänzlich für entbehrlich, wenn nur gewährleistet ist, dass der Betroffene 10 Minuten vor Beginn der Messung keinerlei Substanzen mehr zu sich genommen hat (vgl. OLG Celle NZV 2004, 318 f.; OLG Hamm DAR 2005, 227 f.; Burhoff (Hrsg), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2005, Rn. 2016). Dies wird vornehmlich damit begründet, dass auf die Einhaltung des ursprünglich zwischen Atemalkoholkonzentration und Blutalkoholkonzentration definierten Verhältnisses verzichtet werden könne, nachdem der Gesetzgeber in 24a StVG einen selbstständigen Grenzwert festgelegt habe (vgl. OLG Celle a.a.O). Diese Auffassung übersieht jedoch, dass der Sinn der 20-minütigen Wartezeit nicht in der Verhinderung des Einflusses von Mund- oder Restalkohol auf das Messergebnis, sondern darin liegt, dass es gerade in der Anflutungsphase dazu kommen kann, dass die Atemalkoholkonzentration erheblich über den vergleichbaren Blutalkoholwerten liegt (vgl. vertiefend Iffland, a.a.O., S. 438 f.).
Der Senat hat aus diesem Grund bereits ausgesprochen, dass bei nur geringfügiger Überschreitung des Gefahrengrenzwertes des 24a Abs. 1 StVG von 0,25 mg/l das Ergebnis des standardisierten Messverfahrens zur Ermittlung der Atemalkoholkonzentration mit dem Alcotest 7110 Evidential nur dann ohne Rechtsfehler verwertet werden kann, wenn die genannten Warte- und Kontrollzeiten eingehalten wurden (Senat a.a.O). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da die festgestellte Atemalkoholkonzentration mit 0,31 mg/l mehr als 20% über dem Gefahrengrenzwert liegt. Überschreitet aber die Messung dieses Limit deutlich, so ist zu prüfen, ob die mit der Nichteinhaltung der Wartezeit verbundenen Schwankungen durch einen Sicherheitszuschlag ausgeglichen werden können (offen lassend: BayObLG DAR 2005, 226 f.).
c.) Von einer solchen Möglichkeit geht der Senat vorliegend aus. Werden die für ein standardisiertes Messverfahren vorgegebenen Verfahrensbestimmungen (vgl. nur BGHSt 46, 358 ff; BayObLG DAR 2003, 232 ff.) nicht eingehalten und wie hier im Rahmen des 24a StVG die Wartezeit unterschritten, so führt dies zunächst nicht zur Unverwertbarkeit der festgestellten Messwerte, vielmehr ist durch Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich die Unterschreitung der Mindestzeit seit Trinkende ausgewirkt haben kann (vgl. Senat, Beschluss vom 26.03.2002, 1 Ss 4/02; ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.10.2003, 2 Ss 125/03; vgl. auch. OLG Hamm VRS 102, 298 ff.; a.A. Maatz, Blutalkohol 2002, 21 ff., 31 f.). Dies belegt der vorliegende Fall anschaulich. Vorliegend tritt nämlich zu der erforderlichen deutlichen Überschreitung des Grenzwertes von hier 20% hinzu, dass nach den Bekundungen der Betroffenen in der Hauptverhandlung diese während der Wartezeit - zu ihren Gunsten ist dabei von einer Zeitspanne von 15 Minuten zwischen Trinkende und der ersten Messung auszugehen - lediglich eine Dose "Cola-Bier" getrunken hat. Es ist aber davon auszugehen, dass die Anflutungsgeschwindigkeit und die Schwankungsbreite des Umrechnungsfaktors zwischen Atem- und Blutalkoholkonzentration während der Anflutungsphase auch von der Konzentration des bereits im Körper vorhandenen und der Menge des während der Wartezeit aufgenommenen Alkohols abhängt (vgl. hierzu die neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen der Universitäten München und Heidelberg, veröffentlicht von A. Dettling, F. Fischer, S. Böhler, F. Ullrichs, A. Schuff, G. Skopp, L. von Meyer, M. Graw, H.Th. Haffner, Grundlagen der Pharmakokinetik des Ethanols anhand von Atemalkoholkonzentrationen, Anflutung und Gipfelkonzentrationen, zum Abdruck in Blutalkohol 2006 vorgesehen), wobei aufgrund der vorliegend während der Wartezeit aufgenommenen nicht erheblichen Alkoholmenge einer Dose "Cola-Bier" (0,5 Liter; Ale. 3,1% vol.) aus tatsächlichen Gründen eher von einer geringeren Verfälschung des Messergebnisses auszugehen sein dürfte.
III.
Das Urteil war daher aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Achern zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr unter Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen zu prüfen haben, ob unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes und neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse ggf. unter Vornahme von Sicherheitsabschlägen eine zuverlässige Bewertung des Messergebnisses möglich ist.
Urteil 6
Welche Feststellungen sind im Urteil bezüglich der Alkoholmessung notwendig?
OLG Hamm
Az.: 2 Ss OWi 449/04
Beschluss vom 13.09.2004
In der Bußgeldsache wegen fahrlässiger Verkehrsordnungswidrigkeit hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 19. Mai 2004 gegen das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 10. November 2003 der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 13.09.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. 79 Abs. 3, 6 OWiG, 349 StPO beschlossen:
Die Sache wird gemäß 80 a Abs. 3 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 10. November 2003 wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Witten zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen 24 a Abs. 1 StVG zu einer Geldbuße von 250 € verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die formelle und die materielle Rüge erhebt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg. Dahinstehen kann, ob das angefochtene Urteil auch wegen der geltend gemachten formellen Mängel aufzuheben war. Jedenfalls führt die Sachrüge zum (vorläufigen) Erfolg.
1.
Die tatrichterlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines fahrlässigen Versto-ßes gegen 24 a StVG nicht. Sie sind lückenhaft ( 267 StPO).
a) Der an sich seit dem 1. September 2004 aufgrund der Änderungen des 80 a OWiG durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 allein zur Entscheidung berufene Einzelrichter hat die Sache gemäß 80 a Abs. 3 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung übertragen. Zu entscheiden ist nämlich über die Frage, ob die vom Tatrichter getroffenen tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung nach 24 a StVG auch unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu grundlegend den Beschluss des Senats vom 13. September 2004 in 2 Ss OWi 470/04; zur bisherigen Rechtsprechung des Senats siehe grundlegend Senat in VA 2001, 112 = VRS 101, 53 = DAR 2001, 416 = zfs 2001, 428 = BA 2001, 373) ausreichend sind.
Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine Alleinentscheidung des mitentscheidenden Einzelrichters.
b) Der Tatrichter hat folgende Feststellungen getroffen:
"Am 28.03.2003 befand sich der Betroffene auf einer Feier und sprach dort dem Alkohol zu. Anschließend fuhr er mit seinem Pkw Audi, amtliches Kennzeichen xxx von Witten über die Wittener Straße zur Bundesautobahn A 43, um nach Hause zu fahren. Bei einer Verkehrskontrolle wurde der Betroffene von Polizeibeamten angehalten und überprüft. Dabei wurde in seiner Atemluft Alkoholgeruch festgestellt, so dass eine Atemalkoholmessung durchgeführt wurde. Diese ergab bei dem Betroffenen zum Zeitpunkt der Fahrt eine Atemalkoholkonzentration von 0,26 mg/l."
aa) Diese Feststellungen sind hinsichtlich des objektiven Tatbestandes eines Verstoßes ge-gen 24 a StVG ausreichend. Der Tatrichter teilt mit, dass eine Atemalkoholmessung durchgeführt und welcher Atemalkoholwert dabei gemessen worden ist. Das ist - nunmehr - ausreichend.
Der Senat hat allerdings in der Vergangenheit im Fall einer Verurteilung wegen eines Ver-stoßes gegen 24 a StVG weitere tatsächliche Feststellungen für erforderlich gehalten (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Senats VA 2001, 112 = VRS 101, 53 = DAR 2001, 416 = zfs 2001, 428 = BA 2001, 373; Senat in NJW 2002, 2485 = NZV 2002, 414 = VRS 103, 204 = BA 2002, 489 = StraFo 2002, 400; Senat in VRS 104, 310= NZV 2003, 538; offen gelassen von OLG Düsseldorf NZV 2002, 523 sowie KG NZV 2001, 388;). Diese Auffassung des Senats ist von der überwiegenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung abgelehnt worden (vgl. u.a. OLG Hamm (3. Senat für Bußgeldsachen) VRS 102, 115/117 und BA 2004, 268; Beschl. des hiesigen 4. Senats für Bußgeldsachen vom 29. April 2004 4 Ss OWi 256/04; BayObLG NZV 2000, 295; NZV 2001, 524; NJW 2003, 1752; OLG Düsseldorf NZV 2002, 523; OLG Hamburg NZV 2004, 269, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Der Senat hat nunmehr jedoch im Beschluss vom 13. September 2004 (2 Ss OWi 462/04 OLG Hamm) seine Rechtsprechung insoweit aufgegeben und es als grundsätzlich ausrei-chend angesehen, wenn bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen 24 a StVG mitgeteilt wird, dass die Atemalkoholmessung mit dem so genannten Dräger-Alco-Messgerät durchgeführt worden ist und außerdem der gemessene Wert angegeben wird. Dem wird das angefochtene Urteil hier allerdings nur teilweise gerecht, da es lediglich mitteilt, dass "eine Atemalkoholmessung durchgeführt wurde". Mit welchem Gerät die Messung durchgeführt worden ist, wird nicht mitgeteilt. Dies führt jedoch - auch nach der nunmehr vom Senat ver-tretenen Rechtsauffassung - nicht zu einem durchgreifenden Rechtsfehler. Die Angabe "Atemalkoholmessung" ist (noch) ausreichend. Der Bundesgerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 3. April 2001 darauf hingewiesen, dass das Dräger-Alco-Messgerät das einzige zur Messung der Atemalkoholkonzentration verwendete Messgerät ist (vgl. BGH NZV 2001, 267, 270). Andere Geräte sind seitdem - soweit ersichtlich - nicht auf den Markt gekommen. Demgemäss ist es auch ausreichend, wenn bei einer Verurteilung nur mitgeteilt wird, dass eine "Atemalkoholmessung" durchgeführt worden ist und der festgestellte Atemal-koholwert mitgeteilt wird (vgl. Beschluss des Senats in 2 Ss OWi 462/04). Das ist vorliegend geschehen.
bb) Die getroffenen Feststellungen sind hingegen nicht ausreichend, um die vom Amtsgericht angenommene Schuldform der "Fahrlässigkeit" zu tragen. Dazu führt der Tatrichter in Zusammenhang mit der Fahrverbotsentscheidung lediglich aus, dass der Betroffene von Anfang an gewusst habe, "dass er im Anschluss an die Feier mit seinem Fahrzeug von Witten nach Mülheim Ruhr zurückkehren werde. In Kenntnis dessen, dass er noch eine Fahrt vor sich hatte, trank er Alkohol. Dieses ist in besonderer Weise leichtsinnig." Diese Ausführungen sind - soweit sie überhaupt tatsächliche Feststellungen enthalten - nicht ausreichend. Zwar beruhen die Feststellungen auf dem "Geständnis des Betroffenen", dies allein reicht jedoch angesichts des festgestellten Atemalkoholwertes von 026 mg/l, womit der Grenzwert von 02,5 mg/l gerade überschritten ist, nicht aus. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Betroffene geltend macht, dass er einen Koffer mit Übernachtungsutensilien bei sich geführt habe. Daraus kann möglicherweise geschlossen werden, dass der Betroffene davon ausgegangen ist, noch fahrtüchtig gewesen zu sein. Insoweit dürfte es sich daher empfehlen, die näheren Umstände der Alkoholaufnahme aufzuklären.
III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin: Die Überprüfung der Rechtsfol-genentscheidung hat derzeit Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennen las-sen.
Das Amtsgericht hat die für den Fall eine Zuwiderhandlung gegen 24 a Abs. 1 Alternative 1 StVG von der BußgeldkatalogVO vorgesehene Regelbuße festgesetzt. Das ist im Hinblick auf die mitgeteilten wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen, die noch ausreichend dargetan sind, nicht zu beanstanden.
Auch die Festsetzung des Regelfahrverbotes von einem Monat begegnet derzeit keinen Bedenken. Der Betroffene ist wegen eines Verstoßes gegen 24 a StVG zur Verantwortung gezogen worden. Damit kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Absehen vom Fahrverbot nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände in Betracht (vgl. dazu grundlegend VRS 98, 381 = BA 2000, 513 = NZV 2001, 486). Diese sind vorliegend nicht ersichtlich. Das Amtsgericht wird sich allerdings - falls es den Betroffenen erneut verurteilt - mit der Frage auseinander zu setzen zu haben, ob und welche Auswirkungen der dann lange Zeitablauf zwischen der Tat am 28. März 2003 und dem Urteil auf die Verhängung des Fahr-verbotes hat (vgl. dazu zuletzt Senat in StV 2004, 489).
Urteil 7
Mit Einwänden des Angeklagten gegen die Richtigkeit von Alkoholmessungen muß sich das Gericht im Urteil grundsätzlich auseinandersetzen.
OLG Hamm
Az.: 4 Ss OWi 562/04
Beschluss vom 26.08.2004
In der Bußgeldsache wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Warburg vom 23. Juni 2004 der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 08. 2004 durch die Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Warburg zurückverwiesen.
Gründe:
Der Betroffene ist durch das Urteil des Amtsgerichts Warburg vom 23. Juni 2004 wegen fahrlässigen Fahrens mit 0,25 mg/l Atemalkohol zu einer Geldbuße von 275,- € verurteilt worden. Ferner ist ihm verboten worden, für die Dauer von einem Monat Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten nach Eintritt der Rechtskraft.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 28. März 2004 gegen 22.35 Uhr mit seinem PKW öffentliche Straßen in Warburg mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l.
Der Einlassung des Betroffenen, sein gleichfalls anwesender Bekannter, der wesentlich mehr Alkohol getrunken habe, gleichwohl habe eine probeweise Messung seines Atemalkoholgehalts ein Ergebnis von 0,0 mg/l erzeugt, ist das Amtsgericht nicht gefolgt. Das eingesetzte Gerät Draeger Alcotest 7110 sei geeicht gewesen, zur Messung des Atemalkoholgehalts zugelassen und ordnungsgemäß bedient worden. Unregelmäßigkeiten bei der Messung des Atemalkohols des Betroffenen seien daher nicht ersichtlich.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner in zulässiger Form erhobenen Rechtsbeschwerde.
Das angefochtene Urteil unterliegt aufgrund der erhobenen Sachrüge der Aufhebung.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit Folgendes ausgeführt:
"Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines von dem Betroffenen begangenen fahrlässigen Verstoßes gegen 24 a StVG nicht.
Grundsätzlich ist bei einer Atemalkoholmessung mit dem genannten Messgerät lediglich die Messmethode und der ermittelte Atemalkoholwert mitzuteilen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29.04.2004 - 4 Ss OWi 256/04 - m.w.N.). Dies gilt jedoch nur, wenn keinerlei Veranlassung besteht, die Funktionstüchtigkeit des Messgerätes in Zweifel zu ziehen, wobei die Tatsache, dass das Gerät geeicht war, nicht generell geeignet ist, solche Zweifel auszuräumen.
Der Betroffene hat durch seinen Verteidiger bereits vor der Hauptverhandlung dezidierte Bedenken gegen die Richtigkeit des Messergebnisses unter Zeugenbenennung vorgetragen. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse, die ausweislich der Entscheidungsgründe in der Hauptverhandlung erneut vorgebracht worden sind, bestand Veranlassung, jedenfalls den den Messvorgang beaufsichtigenden Polizeibeamten als Zeugen zu laden, ggf. jedoch auch den weiter benannten Mitfahrer des Betroffenen. Dies gilt um so mehr, als der festgestellte Atemalkoholgehalt lediglich den Grenzwert von 0,25 mg/l erreicht hat.
Aus diesem Grund können die tatsächlichen Feststellungen keinen Bestand haben.
Hinsichtlich der verhängten Geldbuße ist anzumerken, dass die für die Erhöhung der nach der Bußgeldkatalog-Verordnung üblicherweise zu verhängenden Geldbuße herangezogene Vorbelastung aus dem Urteil nicht hinreichend dokumentiert ist, da weder der Vorwurf noch das Datum der Rechtskraft des Bußgeldbescheides mitgeteilt werden."
Dem schließt sich der Senat an.
Darüber hinaus weist das Urteil einen weiteren Mangel auf. Als Vorfallszeitpunkt ist der 28. März 2004 gegen 22.35 Uhr angegeben, die Atemalkoholmessung soll, so die Feststellungen, zwischen 21.47 Uhr bis 21.54 Uhr und damit vor der Vorfallszeit durchgeführt worden sein. Feststellungen zum Trinkende fehlen. Die Zeitangaben sind damit offensichtlich unzutreffend und lassen nicht erkennen, ob die bei einer Atemalkoholmessung vorgesehenen Zeitvorgaben (u.a. 20 Minuten Wartezeit ab Trinkende, vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., 24 StVG Rdnr. 16 m.w.N.), die für den Fall der Behauptung von Messunregelmäßigkeiten bzw. -fehlern zu erörtern sind, eingehalten worden sind.
Das Urteil war daher mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Warbung zurückzuverweisen.
Urteil 8
Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration im Sinne von 24a Abs. 1 StVG unter Verwendung eines Atemalkoholmeßgerätes, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, ist der gewonnene Meßwert ohne Sicherheitsabschläge verwertbar, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Meßverfahren gewahrt sind.
BGH
Az.: 4 StR 507/00
Beschluß vom 3. April 2001
Vorinstanzen: Oberlandesgericht Hamm - Amtsgericht Bottrop
Norm: StVG 24a Abs. 1
Leitsatz:
Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration im Sinne von 24a Abs. 1 StVG unter Verwendung eines Atemalkoholmeßgerätes, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, ist der gewonnene Meßwert ohne Sicherheitsabschläge verwertbar, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Meßverfahren gewahrt sind.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat als Senat für Bußgeldsachen nach Anhörung des Generalbundesanwalts am 3. April 2001 beschlossen:
Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration im Sinne von 24a Abs. 1 StVG unter Verwendung eines Atemalkoholmeßgerätes, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, ist der gewonnene Meßwert ohne Sicherheitsabschläge verwertbar, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Meßverfahren gewahrt sind.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen fahrlässiger Ordnungswidrigkeit nach 24a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StVG in der bis zum 31. März 2001 geltenden Fassung (Führen eines Kraftfahrzeuges mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration <AAK> von 0,25 mg/I oder mehr geführt hat) zu einer Geldbuße von 200 DM verurteilt. Zwar hatten die bei der Betroffenen im Rahmen einer Verkehrskontrolle unter Verwendung des Meßgeräts Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III im Abstand von zwei Minuten durchgeführten Atemalkoholproben Werte von 0,42 und 0,41 mg/l ergeben, aus denen das Gerät einen Mittelwert von 0,42 mg/l gebildet
hatte; das Amtsgericht hat aber von einer Verurteilung nach 24a Abs. 1 Nr. 1 StVG (Führen eines Kraftfahrzeuges mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer AAK von 0,40 mg/1 oder mehr geführt hat) abgesehen, weil es unter Berufung auf die Ausführungen von Bode (BA 1999, 249, 257) von dem genannten Mittelwert einen "Sicherheitsabschlag" in Höhe von insgesamt 0,1282 mg/1 in Abzug gebracht hat.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Sie ist der Ansicht, das Amtsgericht habe von einem richtigerweise durch Abrundung (vgl. BGHSt 28, 1), statt der geräteseits vorgenommenen Aufrundung bestimmten - Mittelwert von 0,41 mg/1 ausgehen und deshalb den Betroffenen nach 24a Abs. 1 Nr. 1 StVG zu einer erhöhten Geldbuße und einem Fahrverbot verurteilen müssen.
II.
Das Oberlandesgericht Hamm (BA 2000, 385 = NZV 2000, 426 = zfs 2000, 459 mit Anm. Bode) möchte die Rechtsbeschwerde als unbegründet verwerfen. Es ist der Ansicht, daß zwar Sicherheitsabschläge vom gewonnenen Mittelwert für die systematische Abweichung, die Standardabweichung und die Langzeitdrift nicht veranlaßt seien; dagegen sei aber von dem Meßwert ein Abzug in Höhe der sog. Verkehrsfehlergrenze (0,03 mg/1 bei einer AAK bis 0,4 mg/1 bzw. 7,5 % vom Meßwert bei einer AAK über 0,40 mg/1 bis 1,00 mg/l) sowie ein weiterer Abzug in Höhe von 4 % des Meßwerts für den Hystereseeinfluß geboten. Hiernach errechnet das vorlegende Oberlandesgericht eine dem Betroffenen noch vorzuwerfende AAK von lediglich
0,37 mg/I, weshalb nur der vom Amtsgericht angenommene Tatbestand 24a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StVG erfüllt sei.
Das vorlegende Oberlandesgericht sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung durch den Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12. Mai 2000 - 2 ObOWi 598/99 - (BA 2000, 247 = NZV 2000, 295 mit Anm. König - zfs 2000, 313 mit Anm. Bode) gehindert. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat darin -entscheidungserheblich - die Auffassung vertreten, den mit dem Atemalkoholtestgerät Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III gemessenen Einzelwerten und dem aus ihnen gebildeten Mittelwert seien Sicherheitszuschläge nicht "hinzuzurechnen". Es hat deshalb die Verurteilung des Betroffenen jenes Verfahrens, bei dem der ohne Aufrundung errechnete Mittelwert 0,40 mg/l AAK betrug, nach 24a Abs. 1 Nr. 1 StVG bestätigt.
Das Oberlandesgericht Hamm hat daher die Sache gemäß 121 Abs. 2 GVG i.V.m. 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Bundesgerichtshof zur Beantwortung folgender Frage vorgelegt:
"Ist bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration im Sinne von 24a Abs. 1 StVG unter Verwendung des Messgerätes Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III von dem gewonnenen Meßwert ein Sicherheitsabschlag in Höhe der jeweiligen Verkehrsfehlergrenze nach der Eichordnung zuzüglich eines weiteren Abschlages von 4 % vom Messwert für die Hysterese geboten?"
Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen:
"Bei Bestimmung der Atemalkoholkonzentration im Sinne von 24a Abs. 1 StVG unter Verwendung des Meßgerätes Dräger Alcotest 7110 Evidential MK 111 ist von dem festgestellten Meßwert kein (gerätespezifischer) Sicherheitsabschlag abzuziehen."
III.
Die Vorlegungsvoraussetzungen sind - allerdings nur unter Vornahme einer Präzisierung der Vorlegungsfrage - erfüllt. Gegenstand der Vorlegung kann nämlich nur die beabsichtigte Abweichung in einer Rechtsfrage sein, nicht in einer Tatfrage; letztere ist einer Vorlegung nicht zugänglich (st. Rspr.-, Hannich in KK 4. Aufl. GVG 121 Rdn. 31, 35 m. N.).
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vorlegung ergeben sich daraus, daß sich die Vorlegungsfrage auf das im Ausgangsfall verwendete Atemalkoholmeßgerät Dräger Alcotest Evidential MK III bezieht. Ginge es dem vorlegenden Oberlandesgericht deshalb allein um die Verläßlichkeit von Atemalkoholmessungen gerade mit diesem Gerät, wäre die Vorlegung unzulässig; denn ob das verwendete Gerät beweiskräftige zutreffende Ergebnisse liefert, ist eine Frage der Zuverlässigkeit eines bestimmten Meßverfahrens im Einzelfall; sie ist daher durch den Tatrichter zu beurteilen und deshalb nicht Gegenstand einer zulässigen Vorlegung (BGHSt 31, 86; 43, 277, 280 f.). Andernfalls müßte, sobald ein weiterer Atemalkoholmeßgerätetyp zum Einsatz kommt, die nämliche "Rechtsfrage immer wieder neu entschieden werden. Das kann nicht Gegenstand des Divergenzverfahrens sein.
Die gerätetechnische Zuverlässigkeit des geeichten Geräts Dräger Alcotest Evidential MK III wird jedoch von dem vorlegenden Oberlandesgericht auch gar nicht in Zweifel gezogen. In Übereinstimmung mit dem Bayerischen Oberlandesgericht (NZV 2000, 297 f.) geht es vielmehr davon aus, daß die Messung mit Hilfe dieses Geräts auf einem standardisierten Meßverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beruht (NZV 2000, 428; a.A. Iffland/Hentschel, NZV 1999, 489, 494), weshalb sich der Richter, wie auch in Fällen sonstiger. technischer Messungen, mit Fragen der Meßgenauigkeit in den Urteilsgründen nicht -näher auseinanderzusetzen brauche, wenn keine konkreten Zweifel an der ordnungsgemäßen Messung naheliegen (vgl. BGHSt 39, 291; 43, 277, 283 f. zur Geschwindigkeitsmessung).
Gleichwohl liegt der Vorlegung eine Divergenz in einer Rechtsfrage zugrunde; denn im Ergebnis ist zwischen den beteiligten Gerichten die Reichweite der normativen Festlegung der AAK-Grenzwerte in 24a Abs. 1 StVG durch den Gesetzgeber streitig, nämlich die Frage,. ob der ermittelte AAK-Wert (unter der Voraussetzung einer meßtechnisch zuverlässigen Messung) unmittelbar forensisch verwertbar ist und deshalb regelmäßig zur Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Bußgeldtatbestandes genügt oder ob zum Ausgleich möglicher störender Einflüsse auf den Meßvorgang allgemein, d.h. unabhängig von den Umständen des Einzelfalles - und zwar auch unabhängig vom Gerätetyp, sofern er die Bauartzulassung für die amtliche Oberwachung des Straßenverkehrs erhalten hat und geeicht ist Sicherheitsabschläge statthaft und in Ansehung des Zweifelsgrundsatzes geboten sind. Diese Fraget betrifft die Auslegung des 24a Abs. 1 StVG. Die mit diesem Inhalt vorgelegte Rechtsfrage ist im Ausgangsfall auch entscheidungserheblich (vgl. BGHSt 43, 241, 244; Hannich in KK aa0 Rdn. 37 m.w.N.). Die am 1. April 2001 in Kraft getretene Änderung des 24a Abs. 1
StVG durch Gesetz vom 19. März 2001 (BGB/ I S. 386), durch die anstelle der bisherigen Staffelung von 0,8 und 0,5 Promille nur, noch eine "einheitliche 0,5 Promillegrenze" (BTDrucks. 14/4304 S. 11; vgl. auch BTDrucks. 14/5132 S. 5, 9) einschließlich der AAK-Grenze von 0,25 mg/I gilt, hat auf die Entscheidung über die Vorlegungsfrage keinen Einfluß.
Der Senat formuliert deshalb die Rechtsfrage wie folgt:
Ist der mit einem bauartzugelassenen und geeichten Atemalkoholmeßgerät gewonnene Atemalkohol-Meßwert für die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des 24a Abs. 1 StVG unmittelbar verwertbar oder sind allgemein Sicherheitsabschläge zum Ausgleich möglicher störender Einflüsse auf den Meßvorgang geboten?
IV.
Der Senat beantwortet die Frage wie aus der Beschlußformel ersichtlich:
1. Die Einführung der Atemalkoholgrenzwerte in 24a Abs. 1 StVG beruht auf dem Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrs vom 27. April 1998 (BGB/ 1795). Um die Atemalkoholanalyse als beweissicher forensisch anwenden zu können, hat der Gesetzgeber die Festlegung "eigener" Grenzwerte für die Alkoholkonzentration in der Atemluft für erforderlich gehalten (BTDrucks. 13/1439 S. 4). Er hat dabei die Ergebnisse des von Schoknecht erstatteten Gutachtens des Bundesgesundheitsamtes "Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse" (Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, hrsg. von der Bundesanstalt für Straßenwesen Heft 86 <1992>, im folgenden:
Gutachten) zugrundegelegt, das zu dem Ergebnis kommt, daß den Werten von 0,8 bzw. 0,5 %o Blutalkoholkonzentration (BAK) Atemalkoholkonzentrations-Grenzwerte von 0,4 mg/l bzw. 0,25 mg/I Alveolarluft "entsprechen . Dabei hat der Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen, daß bei der Atemalkoholbestimmung "nur Meßgeräte eingesetzt und Meßmethoden angewendet werden (dürfen), die den im Gutachten gestellten Anforderungen genügen" (BTDrucks. aa0). Diese vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte Festlegung eigener AAK-Grenzwerte und die Bezugnahme auf das Gutachten des Bundesgesundheitsamtes sind für die Beantwortung der Vorlegungsfrage ausschlaggebend.
a) Diese Gesetzesentstehung belegt zwar, daß die in 24a Abs. 1 StVG festgelegten AAK-Grenzwerte von 0,25 mg/l bzw. 0,40 mg/I aus den BAK-Grenzwerten von 0,5 %o bzw. 0,8 %o abgeleitet worden sind. Gleichwohl handelt es sich um voneinander unabhängige tatbestandliche Voraussetzungen. Das folgt schon daraus, daß ungeachtet eines vom Gesetzgeber insoweit gewählten konstanten Umrechnungsfaktors von 1:2000 eine direkte Konvertierbarkeit von AAK- in BAK-Werte ausgeschlossen ist (Gutachten S. 14). Dies entspricht allgemeiner Auffassung (Gilg BA 1999 <supplement> S. 30 f.; Heifer 38. VGT 2000, 130 f.; Iffland/Eisenmenger/Bilzer DAR 2000, 9 f.; Iffland/Hentschel NZV 1999, 489 f.; Iffland/Bilzer DAR 1999, 1 f.; Schoknecht BA 2000, 161; Wilske DAR 2000, 16, 19). Dabei geht das Gutachten zunächst von einem wissenschaftlich gesicherten mittleren Umrechnungsfaktor von 1:2100 aus, was angesichts des bei der Festlegung der AAK-Grenzwerte in 24 a Abs. 1 StVG gewählten Umrechnungsfaktors von 1:2000 eine Besserstellung der Atemalkoholergebnisse im Vergleich zur Blutalkoholanalyse um prinzipiell 5 % bedeutet (vgl. König NZV, 2000, 298, 299; Slemeyer BA 2000, 203; 208). Die hierauf basierende Festlegung der Grenzwerte für die AAK erfolgte unter dem Gesichtspunkt, "daß Personen, die sich der Atemalkoholbestimmung unterziehen, in rechtlicher Hinsicht nicht Personen gegenüber benachteiligt sind, bei denen eine Blutalkoholbestimmung durchgeführt wird. Da diese Forderung wegen der fehlenden durchgängigen Konvertierbarkeit zwischen AAK und BAK nicht in jedem Einzelfall zu erfüllen ist, ohne die AAK-Grenzwerte unvernünftig hoch ... anzusetzen, sind Wahrscheinlichkeitsaussagen erforderlich. Die Forderung hinsichtlich eines AAK-Grenzwertes muß danach lauten, daß bei Vorliegen einer BAK, die einem BAK-Grenzwert entspricht, die Wahrscheinlichkeit mehr als 50 % dafür beträgt, daß der gleichzeitig gemessene AAK-Wert unter dem ausgewählten AAK-Grenzwert liegt" (Gutachten aaO S. 15).
Diese Wahrscheinlichkeitsvorgabe hat das Gutachten - und ihm folgend der Gesetzgeber bei Festlegung der AAK-Grenzwerte in 24a Abs. 1 StVG mit 75 % angesetzt, um damit "die Akzeptanz der Atemalkoholanalyse in der Öffentlichkeit zu erhöhen, indem Personen, die sich der Alkoholanalyse unterziehen, eine Besserstellung gegenüber denjenigen erfahren, die der Blutalkoholanalyse unterworfen werden" (Gutachten aaO S. 20/21).
b) Der Senat teilt die Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, daß durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese gesetzliche Neuregelung nicht bestehen und der Gesetzgeber damit insbesondere das Willkürverbot und den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt hat (BayObLG NZV 2000, 296).
Daß die physiologischen Unterschiede bei der Gewinnung einer Atemalkoholprobe gegenüber derjenigen einer Blutalkoholprobe (vgl. Brettel in Forster, Praxis der Rechtsmedizin, 1986, S. 436; Iffland/Eisenmenger/Bilze. DAR 2000, 9, 12, 15) eine sichere Aussage von Ergebnissen der Atemalkoholbestimmung über die Höhe der BAK nicht zulassen und eine Konvertierung von AAK- in BAK-Werte deshalb scheitert, hinderte den Gesetzgeber nicht; mit der Festsetzung eigener AAK-Grenzwerte die Meßgröße AAK als tatbestandliches aliud, aber mit gleichen Rechtsfolgen wie bei den "entsprechenden" BAK-Werten einzuführen. Ungeachtet fehlender durchgängiger Konvertierbarkeit der Ergebnisse hat der Gesetzgeber die Atemalkoholprobe aus Gründen vereinfachter Gewinnung als forensisch verwertbare Methode zugelassen und bei Festsetzung der Höhe der AAK-Grenzwerte einen Ausgleich gesucht zwischen den Belangen der Verkehrssicherheit und dem Bestreben, eine Benachteiligung der Betroffenen, die sich einer Alkoholbestimmung unterziehen, gegenüber denjenigen, bei denen die BAK gemessen wird, zu vermeiden (Gutachten aa0 S. 15, 22 f.); dies hält sich im Rahmen seines Gestaltungsspielraums. Einwände, die sich auf die Höhe der BAK als "Vergleichsgröße" und deren Meßmethode beziehen, greifen deshalb schon im Ansatz nicht.
Ausgehend davon, daß eine direkte Konvertierbarkeit von AAK- in BAK-Werte ausgeschlossen ist und deshalb die AAK immer nur einen "Hinweis" auf die alkoholische Beeinflussung des Betroffenen liefern kann (König NZV 2000, 299) oder - wie das Bayerische Oberste Landesgericht unter Berufung auf Heifer (BA 1986, 229; ders. BA 1998, 230 f.) zu Recht angenommen hat jedem AAK-Wert eine gewisse "Bandbreite" von BAK-Werten entsprechen kann (BayObLG NZV 2000, 296), kommt es mithin für die Festsetzung der AAK-Gefahrengrenzwerte nicht auf die konkrete Quantifizierung "eine(r) sich dahinter verbergende(n) Beeinträchtigung der Fahrsicherheit bzw. erhöhten) Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer" an (vgl. Wilske DAR 2000, 16, 17), sofern nur sachliche Gründe die Festlegung nicht als willkürlich erscheinen
lassen. Diese Voraussetzung erfüllen die in 24a Abs. 1 StVG normierten AAK-Grenzwerte schon deshalb, weil sie sich "auf die BAK-Grenzwerte einschließlich der zugehörigen Sicherheitszuschläge .. beziehen" (Gutachten aa0 S. 21). Daß die (gemessene) AAK nur als "Richtgröße" anzuerkennen ist (Heifer 38. VGT 2000, 130, 134; zust. Hentschel NJW 1998, 2385, 2387), liegt in der Natur der Sache und ist deshalb implizit Grundlage der Anerkennung der Atemalkoholprobe als forensisch beweiskräftiges Verfahren durch den Gesetzgeber; dies berührt aber die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht.
c) Der Einwand des vorlegenden Oberlandesgerichts, die "Umrechnungsfaktoren zwischen AAK-Wert und BAK-Wert (hätten) nur Aussagekraft für die statistische Gleichsetzung von AAK-Werten und BAK-Werten bei bestimmter Wahrscheinlichkeitsvorgabe, (seien) aber nicht geeignet, mögliche Fehler einer Messung im konkreten Einzelfall zu berücksichtigen, da für die Verurteilung eines Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen 24a StVG eine höhere Wahrscheinlichkeit als der genannte Wert von 75 % erforderlich ist" (NZV 2000, 427), trägt dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht Rechnung. Dem Einwand liegt möglicherweise die Vorstellung zugrunde, daß mit der Wahrscheinlichkeitsvorgabe von 75% eine Benachteiligung bei der Atemalkoholprobe in einer Größenordnung von bis zu 25 % in Kauf genommen werde. Das ist indes - unabhängig davon, daß deren Durchführung eine freiwillige Mitwirkung voraussetzt (vgl. BTDrs. 13/1439 S. 4; König in LK StGB 11. Aufl. 316 Rdn. 45) - nicht der Fall: Denn das Maß möglicher Benachteiligung bemißt sich nicht nach der statistischen Wahrscheinlichkeit einer Unterschreitung des Grenz-, sondern des dazu in relativem Abstand stehenden Grundwertes (vgl. Slemeyer BA 2000, S. 208 ff.). Das Maß dieser
"Unterschreitungswahrscheinlichkeit" beruht wiederum auf dem angenommenen Verteilungsfaktor von BAK/AAK. Neuere Studien anhand zeitgleicher Messung von BAK- und AAK-Werten gelangen insoweit zu dem Ergebnis, daß der in 24a Abs. 1 StVG mit 1:2000 gewählte Umrechnungsfaktor tatsächlich im Mittel 1:2311 beträgt. Dadurch wäre "de facto eine Anhebung der Grenzwerte im Vergleich zu den BAK-Grenzwerten von rund 15 % festgeschrieben worden" (Köhler/Beike/Abdin/Brinkmann BA 2000, 286, 291).
Deshalb kommt es entgegen der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts (NZV 2000, 427) auch nicht auf die nach den Berechnungen von Wehner et al, bei Zugrundelegung des Umrechnungsfaktors 1:2100 (Faktor Q = 2,1) ermittelte sog. "Unterschreitungswahrscheinlichkeit (von) über 2 %" (Wehner/Subke/Wehner BA 2000, 403, 407; ferner Wehner/Subke BA 2000, 279 f.) an. Zwar läge diese Unterschreitungswahrscheinlichkeit über dem für die BAK-Bestimmung im Gutachten des Bundesgesundheitsamtes 1966 (Lundt/Jahn Gutachten des Bundesgesundheitsamtes zur Frage Alkohol bei Verkehrsstraftaten <1966>, im folgenden: Gutachten 1966) "zugelassenen" entsprechenden Wert von (nur) 0,42 %, der eine Wahrscheinlichkeit von 99,.58 % entspricht,' daß bei einer mittleren BAK von 0,8 %o der gleichmäßig zwischen 0,6 %o und 0,7 %o verteilte wahre Grenzwert überschritten ist (Gutachten 1966 S. 41, dort auch Fußn. 10). Doch ergäben sich hieraus gegen die zwar in "relativer Beziehung" zu den BAK-Grenzwerten stehenden, diesen gegenüber aber eigenständigen AAK-Grenzwerte keine begründeten verfassungsrechtlichen Bedenken. Im übrigen errechnen Wehner et al., daß bei einem Q-Wert von 2,260 (Wittig/Schmidt/Jachau/Römhild/Krause BA 2000, 30 f.) die relative Standardabweichung "völlig ausreichend (wäre), um equivalent zu der
Vorschrift des Gut(achtens des) BGA (1966) für einen Atemalkoholmittelwert von AAK = 0,4 mg/I zu einer Unterschreitungswahrscheinlichkeit von ca. 0,42 zu kommen" (Wehner/Subke/Wehner BA 2000, 408). Dies gilt erst recht, wenn der Q-Wert statt 2,1 im Mittel 2,311 beträgt (Köhler/Beike/Abdin/Brinkmann BA 2000 aa0 S. 291). Ob dieses empirische Material eine wissenschaftlich gesicherte Aussage zuläßt, hat der Senat im Rahmen der Vorlegung nicht zu prüfen. Jedenfalls ist dies ein weiterer Beleg, daß der Gesetzgeber bei Festlegung der in 24a Abs. 1 bestimmten AAK-Grenzwerte nicht willkürlich gehandelt hat.
2. Wegen der - verfassungsrechtlich unbedenklichen gesetzgeberischen Festlegung der AAK-Grenzwerte sind entgegen der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts allgemeine Sicherheitsabschläge von den unter Verwendung eines bauartzugelassenen und geeichten Atemalkoholtestgerätes und Beachtung der Verfahrensbestimmungen (Zeitablauf seit Trinkende mindestens 20 Minuten, Kontrollzeit von 10 Minuten vor der AAK-Messung, Doppelmessung im Zeitabstand von maximal 5 Minuten und Einhaltung der zulässigen Variationsbreite zwischen den Einzelwerten; Gutachten aa0 S. 12) gewonnenen Meßwerten zum Ausgleich möglicher Fehler einer Messung durch verfälschende Störfaktoren (dazu Hentschel Straßenverkehrsrecht 36. Aufl. StVG 24a Rdn. 17 mit zahlr.Nachw.aus dem Schrifttum) im konkreten Einzelfall nicht veranlaßt.
a) Hierbei kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Gesetzgeber das in 24a Abs. 1 StVG sanktionierte Verhalten nicht als kriminelles Unrecht, sondern nur als Ordnungswidrigkeit bewertet hat, das deshalb im Bußgeldverfahren zu ahnden ist. Dieses ist aber schon im Hinblick auf seine
vorrangige Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet (vgl. BGHSt 39, 291, 299 f.). Dem würde zuwiderlaufen, wäre der Tatrichter gehalten, die Meßpräzision in jedem Einzelfall unter .Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Einflußfaktoren zu prüfen. Dies würde die Beweisaufnahme unnötig belasten, zumal es dazu regelmäßig der Hinzuziehung eines Gutachters oder sogar mehrerer Sachverständiger bedürfte; es wäre bei den ,Massenverfahren wegen Teilnähme am Kraftfahrzeugverkehr unter Alkoholeinfluß unverhältnismäßig und ist auch kein Gebot der Einzelfallgerechtigkeit (vgl. BGHSt 45, 140, 147). Ebenso zeigt aber auch die in Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums für erforderlich gehaltene allgemeine Berücksichtigung von Sicherheitsabschlägen, daß die rechnerischen Ergebnisse der dem Betroffenen hiernach im Einzelfall (noch) vorzuwerfenden AAK (im Ausgangsfall errechnet Bode in Anm. zu OLG Hamm zfs 2000, 463 sogar nur 0,17 mg/I) den Tatbestand des 24a Abs. 1 StVG, soweit er sich auf die AAK-Meßwerte bezieht, weitgehend leerlaufen lassen würde. Nichts spricht aber dafür, daß der Gesetzgeber, der die Atemalkoholmessung im Verkehrssicherheitsinteresse als beweissicheres Verfahren für den Nachweis der Ordnungswidrigkeit nach 24a Abs. 1 StVG eingeführt hat, dieses Verfahren durch überhöhte Anforderungen an den Nachweis der forensisch verwertbaren AAK zum "stumpfen Schwert" hat entwerten wollen (vgl. BGHSt 38, 106, 110).
b) Davon abgesehen, ergibt auch die einfachrechtliche Auslegung des 24a Abs. 1 StVG im übrigen, daß die ermittelten AAK-Meßwerte ohne Sicherheitsabschläge der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des 24a Abs. 1 StVG zugrundezulegen sind. Dies ist für die dort normierten BAK-Grenzwerte in der Rechtsprechung anerkannt und folgt aus dem grundlegenden Unterschied zwischen gesetzlich festgelegten Grenzwerten einerseits und
"Beweisgrenzwerten" der Rechtsprechung andererseits. Gesetzlich festgelegte Grenzwerte binden die Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Die gesetzlichen Grenzwerte des 24a Abs. 1 StVG sind Tatbestandsmerkmal ohne Rücksicht auf eine individuelle Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit (Hentschel Straßenverkehrsrecht aa0 StVG 24a Rdn. 11, 24). Sie spiegeln anders als die von der Rechtsprechung durch den Senat bestimmten Grenzwerte "absoluter" Fahruntüchtigkeit im Sinne des 316 StGB (BGHSt 5, 168; 21, 157; 34, 133; 37, 89) - nicht medizinisch-naturwissenschaftliche Erfahrungssätze wider, die im Rahmen tatrichterlicher Beweiswürdigung Beachtung finden, sondern erfüllen - unter der Voraussetzung verfahrensbezogen ordnungsgemäßen Zustandekommens - bei Vorliegen entsprechender Meßwerte für sich selbst die tatbestandlichen Voraussetzungen.
Deshalb kommt es auch für die AAK-Meßwerte nur auf den von einem den Bedingungen des Gutachtens entsprechenden Meßgerät gemessenen Wert an, weil "die Unsicherheiten der Blutalkoholanalvse unmittelbar auch in die AAK-Grenzwerte ein(gehen)" (Gutachten aa0 S. 21; ebenso Slemeyer BA 2000, 208). Das Bayerische Oberste Landesgericht begründet seine - vom Senat geteilte (ebenso OLG Stuttgart BA 2000, 388) - Auffassung mit der im Ergebnis zutreffenden Erwägung, daß in dem AAK-Grenzwert von 0,25 mg/1 bei Anwendung des vom Gesetzgeber (zugunsten der Betroffenen) gewählten Umrechnungsfaktors von 1:2000 bereits ein umgerechneter Sicherheitszuschlag von 0,05 mg/1 und im AAK-Grenzwert von 0,4 mg/1 unter diesen Voraussetzungen ein solcher von 0,075 mg/1 enthalten seien und diese umgerechneten Sicherheitszuschläge bereits deutlich über den Verkehrsfehlergrenzen nach der Eichordnung liegen. Es hat mit dieser Erwägung Bezug genommen auf den in dem (bisherigen) BAK-Grenzwert von
0,8 % enthaltenen Sicherheitszuschlag zum "Grundwert" (0,65 %) von 0,15 %o (vgl. BTDrs. 7/133 S. 5; BGHSt 28, 1, 3) bzw. auf den in dem BAK-Grenzwert von 0,5 %o zum "Grundwert" (0,4 %o) enthaltenen Sicherheitszuschlag von 0,1 9'o0 (BTDrs. . 13/1439 S. 4). Der Gesetzgeber hatte diese Sicherheitszuschläge "für etwaige Abweichungen des festgestellten von dem tatsächlichen Alkoholgehalt" in die BAK-Grenzwerte einbezogen, um zu gewährleisten, daß ."in der Praxis kein Anlaß dazu bestehen wird, den gesetzlich festgelegten Wert nochmals um einen 'Sicherheitszuschlag' zu verschieben" (BTDrs. 7/133 S. 5). Eine direkte Umrechnung dieser in den BAK-Grenzwerten enthaltenen Sicherheitszuschläge in "entsprechende" AAK-Werte kommt - wie dargelegt - allerdings nicht in Betracht. Eben aus diesem Grund hat das Gutachten des * Bundesgesundheitsamtes "anstelle" eines Sicherheitszuschlages für die AAK-Grenzwerte einen "Sicherheitsfaktor" Q eingeführt, der sicherstellen soll, "daß mit einer vorzugebenden Wahrscheinlichkeit w ein gemessener AAK-Wert statistisch betrachtet unter dem AAK-Grenzwert liegt, falls ein gleichzeitig gemessener BAK-Wert den BAK-Grenzwert erreicht" (Gutachten aa0 S. 21). Der der "Umrechnung" von AAK in BAK im angenommenen Verhältnis von 1:2000 zugrundeliegende Sicherheitsfaktor Q = .2,0 ist somit selbst Teil der mit 75 % angesetzten Wahrscheinlichkeitsvorgabe (Gutachten aa0 S. 22/23). Diese Vorgabe hat der Gesetzgeber übernommen. Sie gehört damit zu den normativen Festlegungen, die bei der Anwendung des 24a Abs. 1 StVG Beachtung verlangen.
c) Deshalb sind die AAK-Meßwerte unter der Voraussetzung unmittelbar, d.h. ohne Abschlag, forensisch verwertbar, daß diese aufgrund eines Verfahrens gewonnen sind, das den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dies und die Zuverlässigkeit der Messungen werden durch die Bauartzulassung der zur amtlichen Überwachung im Straßenverkehr eingesetzten
Atemalkoholmeßgeräte durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und deren halbjährliche Eichung garantiert ( 1 Nr. 2, 2 Abs. 1 EichG, 12 Abs. 1 i.V.m. Anh. B Nr. 18.5, 32 Abs. 1 Eich0). Daß die technischen Mindestanforderungen an die Beweissicherheit der verwendeten Meßgeräte nicht durch ein förmliches Gesetz normiert sind (vgl. Empfehlung 38. VGT 2000, S. 10 Nr. 4) und die der Bauartzulassung zugrunde liegende Norm DIN VDE 0405 auch keinen Verordnungscharakter (vgl. BGHSt 28, 1, 4) hat, führt zu keinem anderen Ergebnis; denn der Gesetzgeber hat ausdrücklich auf die Vorgaben des Gutachtens Bezug genommen. Diesen Vorgaben an die Qualitätssicherung trägt die Bauartzulassung der zum Einsatz kommenden Geräte durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und deren Eichung Rechnung (vgl. zum Meßgerät Dräger Alcostest Evidential MK III Knopf/Slemeyer/Klüß NZV 2000, 195; Hentschel Trunkenheit Fahrerlaubniserziehung Fahrverbot B. Aufl., 2000, Rdn. 124, 126; König in LK aa0 316 Rdn. 51 f.; insoweit zust. auch Seier NZV 2000, 434).
d) Durchgreifende Einwände gegen die forensische Verwertbarkeit der mit einem bauartzugelassenen und geeichten Atemalkoholtestgerät ermittelten AAK-Werte ohne Berücksichtigung allgemeiner Sicherheitsabschläge ergeben sich auch nicht aus den durch die Rechtsprechung des Senats entwickelten Standards für die Anforderungen an beweiskräftige BAK-Ergebnisse. Diese Qualitätsanforderungen an die Blutprobe (arithmetischer Mittelwert aus fünf Einzeluntersuchungen zweier unterschiedlicher Meßverfahren <Widmark und ADH> bzw. aus vier Einzeluntersuchungen <je zwei und zwei> nach dem GC- und dem ADH-Verfahren) gehen auf das Gutachten des Bundesgesundheitsamtes "Alkohol bei Verkehrsstraftaten" von 1966 (Gutachten 1966 aa0) zurück, das der Festlegung der "Beweisgrenzwerte" der "absoluten" Fahruntüchtigkeit im Sinne der 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a), 316 Abs. 1
StGB durch den Senat zugrundeliegt (BGHSt 21, 157; 37, 89). Insoweit zwang die Annahme eines den Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung bindenden medizinisch-naturwissenschaftlichen Erfahrungssatzes dazu, an das Vorliegen von dessen tatsächlichen Voraussetzungen in Gestalt einer bestimmten BAK mit Blick auf den Zweifelsgrundsatz besonders hohe Anforderungen zu stellen. Zwar hat der Senat diese Qualitätsanforderungen auch für die Ermittlung der für den Bußgeldtatbestand des 24a StVG a. F. maßgebenden BAK bestätigt (BGHSt 28, 1). Doch läßt sich daraus nicht herleiten, daß der Gesetzgeber diese Standards auch für die Ermittlung von Grenzwerten vorgeben muß - und vorgegeben hat -, die zwar in einem inneren Zusammenhang mit den BAK-Werten stehen, aber davon unabhängig sind und auf grund eines andersartigen Meßverfahrens gewonnen werden (fehlerhaft deshalb AG München NZV 2000, 180 mit abl. Anm. Schmalz und Schoknecht).
Ob der Einwand gerechtfertigt ist, die AAK-Messung unterliege im Ergebnis qualitativ geringeren Anforderungen als die auf vier Einzelwerten beruhende BAK-Messung (vgl. dazu Bode BA 1999, 249, 259 f.; ders. Anm. zu AG Kitzingen und AG München zfs 2000, 171; 172 f.; ders. Anm. zu BayObLG zfs 2000, 313, 316 f.; Löhle NZV 2000, 189, 194; Wilske NZV 2000, .399, 400; dagegen Knopf/SIemeyer/Klüß NZV 2000, 195, 197; Knopf NZV 2000, 458 ff.), kann dahinstehen. Jedenfalls ergibt sich mit Blick auf die gesetzgeberischen Vorgaben kein Anlaß -und ist die Rechtsprechung auch nicht legitimiert -, die durch das Gesetz festgelegten AAK-Grenzwerte durch Berücksichtigung von verfahrensbezogenen allgemeinen Sicherheitsabschlägen zu "relativieren".
3. Ein genereller Sicherheitsabschlag ist deshalb entgegen der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts auch nicht für den Hystereseeinfluß und in Höhe der Verkehrsfehlergrenze geboten.
a) Die Hysteresis, nämlich der Einfluß, den eine Messung bei hoher Konzentration auf die nachfolgende Messung bei niedriger Konzentration ausübt, darf nach dem Gutachten des Bundesgesundheitsamtes 4 % bezogen auf die niedrige Konzentration nicht überschreiten (Gutachten aa0 S. 9, 25 f.); diese Vorgabe ist bei Festlegung der AAK-Grenzwerte bereits berücksichtigt: Deshalb ist für eine Berücksichtigung des Hystereseeinflusses durch Ansatz eines allgemeinen Sicherheitsabschlages kein Raum (zu neuerer Auswertung von Meßergebnissen mit dem Gerät Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III vgl. Schoknecht/Knopf/Klüß BA 2000, 449 ff.).
b) In gleicher Weise kommt auch ein genereller Sicherheitsabschlag in Höhe der Verkehrsfehlergrenze (nach 33 Abs. 4 Eich0 i.V.m. Anl. 18 Abschn. 7 Nr. 3.1 und 3.2 das 1 '/ - fache der Eichfehlergrenze, die sowohl die Standard- als auch die systematische Abweichung der Anzeige eines geeichten Gerätes vom Sollwert enthält; vgl. Slemeyer BA 2000, 205) nicht in Betracht. Die Einhaltung der Verkehrsfehlergrenze ist Bestandteil der Bauartzulassung und wird durch die Eichung der eingesetzten Geräte garantiert ( 1 Nr. 2, 2 Abs. 1 EichG, 32 Abs. 1 EichO; vgl. BayObLG NZV 2000, 297).
c) Auch wenn allgemeine Sicherheitszuschläge zu den gesetzlichen Grenzwerten bzw. - was dem hinsichtlich der verwertbaren Ergebnisse gleichkommt - entsprechende Sicherheitsabschläge von dem mittels eines bauartzugelassenen und geeichten Atemalkoholmeßgerät gemessenen AAK-Mittelwert nicht veranlaßt sind, schließt dies nicht aus, daß im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler bestehen oder behauptet werden können, denen das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht oder auf einen entsprechenden Beweisantrag hin nachzugehen hat (vgl. BGHSt 39, 291 , 300).
Eine generelle Berücksichtigung von möglicherweise störenden Einflußfaktoren ist dagegen auch nicht in Ansehung des Zweifelsgrundsatzes geboten.
Allein aufgrund eines auf allgemeinen Erwägungen ohne behauptete Meßfehler im Einzelfall vorgenommenen Abzugs vom gemessenen AAK-Wert durfte das Amtsgericht im Ausgangsfall somit nicht von einem niedrigeren AAK-Wert als 0,41 mg/l ausgehen.
d) Der Senat schreibt damit nicht zugleich die Voraussetzungen fest, unter denen die Rechtsprechung auch die Atemalkoholanalyse als hinreichend zuverlässiges Beweismittel zur abschließenden Feststellungen alkoholbedingter "absoluter" Fahruntüchtigkeit nach 316 StGB anerkennt (so die Befürchtung von Seier NZV 2000, 433, 434 f.). In bisher veröffentlichten Entscheidungen hat die Rechtsprechung jedenfalls eine Verurteilung wegen "absoluter" Fahruntüchtigkeit nach 316 StGB allein aufgrund eines den Grenzwert von 0,55 mg/I erreichenden bzw. übersteigenden AAK-Wertes auch abgelehnt (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 29. November 2000, zfs 2001, 135 mit Anm. Bode, und Beschlüsse vom 5. Dezember 2000, zfs 2001, 136 = NStZ-RR 2001, 105 und zfs 2001, 137).
Urteil 9
Zur Einführung eines Alkoholtest in die Hauptverhandlung genügt die Verlesung des Ergebnisses.
BGH
Az.: 1 StR 145/04
Beschluss vom 20.07.2004
In der Strafsache wegen Totschlags hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juli 2004 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allg.) vom 21. Oktober 2003 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat ( 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Ergänzend bemerkt der Senat zur Verfahrensrüge nach 250 Satz 1 StPO:
Protokolle über Atemalkoholtests können Gegenstand des Urkundenbeweises sein. Die Strafprozeßordnung sieht zur Beweiserhebung über den Inhalt von Urkunden und anderen als Beweismittel dienenden Schriftstücken grundsätzlich die Verlesung gemäß 249 Abs. 1 StPO vor. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit ist hier nicht gegeben. Für die Anwendung des 250 StPO ist entscheidend, daß es sich um den Beweis eines Vorgangs handelt, dessen wahrheitsgemäße Wiedergabe nur durch eine Person möglich ist, welche ihn mit einem oder mehreren ihrer fünf Sinne wahrgenommen hat. Daran fehlt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs z.B. bei der maschinellen Herstellung von kaufmännischen Buchungsstreifen (vgl. BGHSt 15, 253, 255), bei den Niederschriften über Tonbandaufzeichnungen (vgl. BGHSt 27, 135, 137) und bei EDV-Ausdrucken (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2001 - 1 StR 454/00). Dasselbe gilt für das von einem Testgerät ausgedruckte Protokoll über das Ergebnis einer Atemalkoholmessung. Hier ging es allein um das Ergebnis des Tests, also nur um diesen Teil des Urkundeninhalts, den das Landgericht verwertet hat. Der Bediener des Testgerätes hat zwar auch das Meßergebnis wahrgenommen und könnte darüber berichten. Jedoch handelt es sich bei der Durchführung eines solchen Tests - wie bei den übrigen, oben genannten Beispielsfällen - um eine mechanische Verrichtung, die erfahrungsgemäß keinen bleibenden Eindruck in der Erinnerung der damit befaßten Person hinterläßt, so daß das verläßlichere Beweismittel im Hinblick auf das Ergebnis in der Regel die Urkunde ist. Ob sich das Tatgericht mit der Verlesung der Urkunde begnügen darf, ist eine Frage der Aufklärungspflicht. Bestünden Zweifel an der Richtigkeit des Zustandekommens eines Meßergebnisses, so könnten im Rahmen der Aufklärungspflicht weitere Beweiserhebungen angezeigt sein. Der Beschwerdeführer beanstandet hier weder das Meßergebnis noch hat er eine Aufklärungsrüge erhoben. Er hatte auch erstinstanzlich eine Vernehmung des Bedieners als Zeugen nicht beantragt.
Urteil 12
Bei Alkoholmissbrauch kann eine MPU angeordnet werden.
VGH Baden-Württemberg
Az.: 10 S 2032/00
Beschluss vom 22.01.2001
Vorinstanz: VG Freiburg - Az. 4 K 855/00
Schlagworte: Kraftfahreignung, Alkoholkonsum, Alkoholmissbrauch Alkoholabhängigkeit, medizinisch-psychologisches Gutachten, Verhältnismäßigkeit
Leitsatz:
Zur Rechtmäßigkeit einer Anordnung der Verkehrsbehörde, ein medizinischpsychologisches Gutachten zur Klärung der Frage beizubringen, ob bei einem Fahrerlaubnisinhaber Alkoholmissbrauch anzunehmen ist.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG
Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache wegen Entziehung der Fahrerlaubnis; Prozesskostenhilfe hier: Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 22. Januar 2001 beschlossen:
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16. August 2000 - 4 K 855/00 - wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.08.2000 ist zulässig, aber unbegründet. Denn es liegt keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vor.
Die Beschwerde ist nicht wegen ernstlicher Zweifel der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses ( 146 Abs 4 i. V. m. 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Das Verwaltungsgericht hat wohl zu Recht hinreichede Erfolgsaussichten der Klage gegen die von der Stadt Freiburg verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis verneint ( 166 VwGO i. V. m. 114, 121 Abs. 1 ZPO).
Das Verwaltungsgericht dürfte zutreffend angenommen haben, dass sich die Antragstellerin voraussichtlich als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erwiesen hat, weil sie der berechtigten Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen nicht nachgekommen ist ( 11 Abs. 8 FeV). Auch nach Auffassung des Senats dürfte es nicht zu beanstanden sein, dass das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen der 46 Abs. 3, 13 Nr. 2 Buchstabe a Alternative 2 FeV als gegeben angesehen hat. Danach ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin dürften Tatsachen vorliegen, die bei ihr die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen.
Es dürfte - anders als die Antragstellerin meint - bei ihr nicht nur um Alkoholkonsum gehen. Vielmehr dürfte bei dem Vorfall vom 09.07.1999, der der Antragsgegnerin Anlass zum Einschreiten gegeben hat, in der
Öffentlichkeit deutlich geworden sein, dass die Antragstellerin aufgrund Alkoholkonsums wohl nicht in der Lage ist, sich sozial Verantwortungsgerecht zu verhalten. Dies zeigt sich darin, dass sie sich nach dem Bericht des Polizeireviers F. zur Nachtzeit (zwischen 23.00 und 24.00 Uhr) in Begleitung eines vierjährigen Kindes in wohl erheblich alkoholisiertem Zustand in einem Lokal aufgehalten hat. Eine außenstehende Person, nämlich der Lokalinhaber, hat sich veranlasst gesehen, die Polizei Kind einzuschalten, um dem die gebotene Fürsorge (durch den Großvater) zukommen zu lassen. Zudem hat sich die Antragstellerin wohl in Folge ihres alkoholisierten Zustandes nach Eintreffen der Polizei dieser gegenüber in der Öffentlichkeit aggressiv verhalten. Unter diesen Umständen kann es entgegen Auffassung der Antragstellerin nicht als ihre Privatsache angesehen werden, in einer Bar dem Alkohol zuzusprechen. Vielmehr dürfte das alkoholbedingt ihrem Kind gegenüber gezeigte wenig verantwortungsbewusste Verhalten ein wesentliches Indiz dafür sein, dass es auch fraglich ist, ob die Antragstellerin zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol in Bezug auf den Straßenverkehr in der Lage ist. Diese Zweifel werden auch dadurch erhärtet , dass die Antragstellerin bereits im Jahre 1991 mit einer Blutalkohlkonzentration von 1,79 Promille ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hat, weshalb ihr damals die Fahrerlaubnis vom Strafrichter entzogen worden ist. All dies dürften Tatsachen sein, die auf Alkoholmissbrauch hindeuten.
Dem kann die Antragstellerin nicht entgegenhalten, dass eine verkehrsrechtlich erhebliche Alkoholisierung aufgrund des Vorfalls vom Juli 1999 nicht ohne eine exakte Alkoholfeststellung angenommen werden dürfe. Denn die polizeilich festgestellten Umstände, die die Antragstellerin als solche nicht in Abrede gestellt hat, dürften für sich sprechen. Auch unauffällige Leberwerte sind nach der Rechtsprechung des Senats nicht geeignet, von vornherein eine Alkoholproblematik auszuchließen.
Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, dass auch verfassungsrechtliche Gründe, insbesondere der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.06.1993 (BVerfGE 89, 69), der Gutachtensanforderung nicht entgegenstehen, dürfte dies ebenfalls nicht zu beanstanden sein. Die Anforderung des Gutachtens dürfte gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. 13 FeV, um dessen Anwendung es hier geht, dürfte vielmehr gerade den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen, indem er ein abgestuftes System von fachärztlichen und medizinisch-psychologischen Untersuchungen vorsieht. Der Antragstellerin dürfte nicht darin zu folgen sein, dass die Antragsgegnerin von ihr allenfalls eine fachärztliche Untersuchung hätte verlangen dürfen. Eine solche ist nämlich nach 13 Nr. 1 FeV nur für den Verdacht der Alkoholabhängigkeit vorgesehen, deren Beurteilung eine primär medizinische Frage ist. Dagegen dürfte für die Beurteilung der Frage des Alkoholmissbrauchs um die es hier geht, eine zusätzliche psychologische Beurteilung unverzichtbar sein, da hier insbesondere eine Prognose darüber anzustellen ist, ob der Betroffene von seiner Persönlichkeitsstruktur her zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol, insbesondere zu einem kontrollierten Alkoholkonsum und zum Trennen von Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs, in der Lage ist (vgl. hierzu die Amtliche Begründung zur Fahrerlaubnisverordnung BR-Drucks. 443/98 S. 260, abgedruckt in Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., 1999 , 13 FeV RdNr. 4 f.).
Die Beschwerde ist auch nicht wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten ( 146 Abs. 4 i. V. m. 124 Abs.2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Der Rechtsstreit wirft sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht überschaubare Fragen auf, wie sie sich üblicher Weise in einem Fahrerlaubnisentziehungsverfahren stellen. Auch der Gesichtspunkt, dass 13 FeV eine relativ junge Vorschrift ist, rechtfertigt unter den gegebenen Umständen keine andere Beurteilung.
Schließlich ist die Beschwerde auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ( 146 Abs. 4 i. V. m. 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Das Zulassungsvorbringen entspricht insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO. Im Übrigen sind die Fragen, ob Alkoholmissbrauch vorliegt und ob von der Verkehrsbehörde im Hinblick darauf angeordnete Maßnahmen auch unter von der Antragstellerin angeführten verfassungsrechtlichen Rechtsprechung verhältnismäßig sind, keiner grundsätzlichen Klärung im Hauptsacheverfahren fähig, da ihre Beantwortung von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt.
Die Kostenentscheidung beruht auf 154 Abs. 2 VwGO.
Der Festsetzung eines Streitwerts bedarf es nicht, ob nach Nr. 2502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz bei Erfolglosigkeit der Beschwerde im Verfahren über die Prozesskostenhilfe eine vom Streitwert unabhängige Gerichtsgebühr von 50 DM anfällt. Diese Regelung gilt in entsprechender Anwendung auch für Verfahren über die Zulassung der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.04.2000 - 8 S 826/00 -).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.